Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Schwarzſpecht: Neſtbau. Gelege. Pflege der Jungen. 607 nie eher ein Neſt gefunden, als bis ih auf die Späne unter dem Baume aufmerkſam geworden war.“ V. von Tſchuſi, der den Shwarzſpeht in Niederöſterreih beobachtete, beſtätigt im weſentlichen dieſe Mitteilungen, bemerkt jedoh, daß er auh Neſter in Höhe von faum 2 m über dem Boden gefunden habe und 4—5 m als die regelmäßige Höhe anſehen müſſe. Da der genannte Beobachter mehrere Bäume kennen lernte, in denen ſich fünf und mehr Niſtlöher befanden, gelangte er zu dem ſhwerlih rihtigen Schluſſe, daß der Schwarzſpecht in den Brutbaum faſt in jedem Frühjahre ein neues Loh meißele. F< meinerſeits will ergänzend bemerken, daß Buchen und Kiefern überall in Deutſchland zwar die bevorzugten, aber doh niht die einzigen Niſtbäume ſind, die der Shwarzſpecht erwählt. So fand von Meyerin> auch ein Neſt in einer Eiche, und Dybowski erwähnt, daß der Vogel in Sibirien in Lärchenbäumen niſte. Das Flugloch iſt für den großen Specht auffallend eng, \o daß man ſ<hwer begreift, wie ex ein- und ausfliegen kann, ohne ſein Gefieder zu beſchädigen.

Das Männchen löſt das Weibchen regelmäßig im Brüten ab, die Zeit aber, in welcher dies geſchieht, iſt niht genau beſtimmt. Mein Vater hat um 8 Uhr morgens das Männcen und um 9 Uhr noh das Weibchen angetroffen. Gewiß iſt nur, daß das Männchen in den Mittags- und Nachmittagsſtunden, das Weibchen aber während der ganzen Nacht und in den Morgen- und Abendſtunden auf den Eiern oder Jungen ſißt. Wie außerordentlih eifrig leßteres brütet, geht aus einer beahten8werten Mitteilung von Thuſis hervor. „Vor einigen Jahren ſollte in den Waldungen Niederöſterreichs eine alte Buche gefällt werden, in welcher ein Shwarzſpeht auf Eiern ſaß. Die Holzhauer vermochten ihn troß ſtarken Klopfens niht heraus zu treiben; erſt als der Baum fiel, flog er unverleßt heraus.“ Daß man den Vogel auf den Eiern ergreifen kann, iſt eine ziemli<h bekannte Thatſache. Raubt man ihm das erſte Gelege, ſo brütet er doh wieder in demſelben Neſte, vorausgeſeßt, daß man den Eingang nicht erweiterte, und man kann, wie Päßler erfuhr, ſchon nah 14 Tagen wieder Eier in derſelben Höhlung finden. Die eben ausgekrochenen Fungen ſehen höchſt unförmli<h aus. Sie ſind nur auf dem Oberkörper und zwar ganz ſparſam mit \{<warzgrauen Daunen bekleidet, ihr Kopf erſcheint ſehr groß und ihr Schnabel unverhältnismäßig di>. „Jagt man das ſie erwärmende alte Männchen oder Weibchen von ihnen, ſo geben ſie einen ganz eignen, ſhwirrenden Ton von ſich, der mit keinem anderen Vogellaute Ähnlichkeit hat und niht genau beſchrieben werden kann. Sind ſie etwas größer, ſo hört man dieſes Shwirren niht mehr von ihnen.“ Die Alten gebärden ſich ſehr beſorgt, wenn man der Brut naht, und ſtoßen eigentümlich klagende Töne aus. Sie ſind, wie faſt alle Vögel, in der Nähe des Neſtes weit weniger ſcheu als ſonſt und ſezen der Brut zuliebe ihre eigne Sicherheit aus den Augen, was ſie zu anderen Zeiten niemals thun. Die Fungen werden, nach meines Vaters Beobachtungen, mit den Puppen der Roß- und braunroten Ameiſe von beiden Eltern und zwar aus dem Kropfe gefüttert. „Jh habe alte, beim Neſte geſchoſſene Schwarzſpechte unterſu<ht, die den ganzen Schlund bis in den Schnabel voll ſolcher Ameiſenpuppen hatten. Stört man die Jungen nicht, ſo bleiben ſie im Neſte, bis ſie völlig fliegen fönnen, Élettern aber innen an den Wänden der Höhle auf und nieder und gu>en oft mit dem Kopfe zum Neſtloche heraus. Das Weibchen übernachtet mit ihnen, das Männchen in der vorjährigen Bruthöhle.“

Bei geeigneter Pflege gelingt es, jung aus dem Neſte genommene Schwarzſpechte längere Zeit am Leben zu erhalten und bis zu einem gewiſſen Grade zu zähmen. Jh erhielt einſt drei dieſer immer ſeltener werdenden Vögel, die ſhon faſt ausgefiedert hatten. Der eine von ihnen ſtarb kurz nach ſeiner Ankunft, noh ehe er gelernt hatte, ſelbſtändig zu freſſen; die beiden anderen wurden anfänglich geſtopft, gingen aber dann ſelbſt an das Futter. Um ſie zu gewöhnen, wurden ihnen Ameiſenpuppen auf ein dünnes Drahtneß gelegt, das die Decke ihres einſtweiligen Käſigs bildete. Sie lernten bald, dieſe Puppen