Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Buntſpecht: Verbreitung. Aufenthalt. Weſen. Nahrung. * 617

Gebiet; im Herbſte und Winter ſtreicht er in einem größeren Bezirke umher und lebt dann gewöhnlih in Geſellſchaft von Kleibern, Baumläufern, Meiſen und Goldhähnchen. Jm Sommer duldet er innerhalb ſeines Gebietes keinen ſeinesgleihen. Bei ſeinen Streifereien folgt ex den Bäumen und meidet es, über das freie Feld zu fliegen. Freilich kennt er auch feine Umwege, da ſeine Streifereien nur den einen Zwe> haben, ſi< reihlihere Nahrung zu ſuchen, als ex ſie an ſeinem eigentlichen Standorte findet, und ſi< dabei zugleih ein wenig in der Welt umzuſehen.

Der Buntſpecht iſt, wie Naumann ſagt, ein kräftiger, munterer, gewandter, ke>er und dabei {öner Vogel, deſſen abſtehende Farben in ihrer bunten Abwechſelung ihn auh in der Ferne, und beſonders wenn er fliegt, im hohen Grade zieren. „Es ſicht herrlich aus, wenn bei heiterem Wetter dieſe Buntſpechte ſich von Baum zu Baum jagen, im Sonnenſcheine ſhnell an den Äſten hinauflaufen oder auch an den oberen Spißen hoher Bäume ſich ſonnen oder auf einem dürren Zaten, von der Sonne beſchienen, ihr ſonderbares Schnuxren hervorbringen. Sie ſind faſt immer in Bewegung, dabei ſehr hurtig und beleben den Wald, beſonders die düſteren Nadelwaldungen, auf eine angenehme Weiſe.“ Der Flug geſchieht ru>weiſe, iſt ziemli< {nell und ſ{<nurrend, geht aber gewöhnlih niht weit in einer Strece fort. Auf dem Boden hüpft der Buntſpeht noh ziemli<h geſchi>t umher, fommt jedoch ſelten zu ihm herab. Sehr gern ſegzt er ſih auf die höhſten Wipfel der Bäume und läßt dabei ſein „Pit pi>“ oder „Kik kik“ wiederholt vernehmen. Nachtruhe hält er, wie die übrigen Spechte, in hohlen Bäumen; ſolhe Schlupfwinkel ſucht er auh auf, wenn er verwundet iſt. Gegen ſeinesgleihen zeigt er ſi<h fkeineswegs lieben8würdig; man kann auc ihn troz ſeiner Streifereien mit dem Kleingeflügel niht geſellig nennen. Gegen Meiſen, Goldhähnchen, Baumläufer und Kleiber benimmt er ſi<h ebenſowenig freundſchaftlich. Er ſcheint zwar ihr Anführer zu ſein, bekümmert ſih aber niht um ſie, ſondern überläßt es dem Kleingeſindel, ihm na<hzuleben. Da er in Sibirien jedo<h au< in Geſellſchaft der wandernden Droſſeln gefunden wird, und lettere ſicherlih niht ihm zu Gefallen im Walde umherſtreifen, muß man annehmen, daß ihm derartige Geſellſchafter ungeachtet ſeiner ſcheinbaren Gleichgültigkeit do<h re<ht gut behagen. Anders benimmt er ſih einem zweiten Buntſpechte gegenüber, ob aus Eiferſucht oder Futterneid will ih unentſchieden laſſen. Er iſt einer von den Spechten, die ſih dur<h na<hgeahmtes Pochen regelmäßig anlo>en laſſen. Fm Frühlinge verfehlt er gewiß nie, ſih einzuſtellen, ſobald er ein Klopfen na< Art ſeines Trommelns oder Hämmerns vernimmt: denn dann kommt noch die Eiferſucht ins Spiel; aber au<h im Sommer und Herbſte erſcheint er diht vor dem Jäger, der ihn foppte, und flettert auf allen Zweigen umher, um den vermeintlichen Nebenbuhler oder Beeinträchtiger zu erſpähen. Und nicht bloß das Männchen fliegt herbei, ſondern auh das Weibchen: ein deutlicher Beweis, daß nicht allein die Eiferſucht, ſondern au< der Futterneid Urſache dieſes Betragens iſt. Auch gegen andersartige Spechte zeigt er ſi< niht eben freundlih; doh ſah Schacht einmal alle drei heimiſchen Arten, Bunt-, Mittel- und Kleinſpe<ht, zu gleicher Zeit auf einem Baume.

Mancherlei Kerbtiere und deren Eier, Larven, Puppen, aber auh Nüſſe und Beeren bilden die Nahrung des Buntſpechtes. Mein Vater und nah ihm Naumann verſichern, auf ihre Beobachtungen geſtüßt, daß er keine Ameiſen freſſe und ebenſowenig ſeine Jungen mit deren Puppen füttere; Gloger hingegen erfuhr, daß ein Buntſpecht, den er bei ſtarkem Froſte geſchoſſen hatte, ſeinen Magen „lediglih und beinahe vollſtändig“ mit großen Waldameiſen gefüllt hatte. Nach meines Vaters Beobachtungen iſ er der Hauptfeind des Borkenkäfers, ſeiner Larven und Eier. Um zu dieſen zu gelangen, ſpaltet ex die Schalenſtücke der Fichten ordentlih ab. „Jh habe dies oft mit Vergnügen beobachtet. Er läuft an den Stämmen, deren Rinde zerſprungen und lo>er aufſißt, herum, ſte>t den Schnabel und die Zunge unter