Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

618 Erſte Dronung: Baumvögel; ahtundzwanzigſte Familie: Spechte.

die Schale und ſpaltet dieſe ab, wenn er nicht zu den Kerbtieren gelangen kann. Jh habe die heruntergefallenen Stücke unterſu<ht und immer gefunden, daß ſie von Borken- und Fichtenkäfern unterwühlt waren. Auch frißt er allerlei Räupchen, die für die Waldbäume nachteilig ſind, und füttert damit ſeine Jungen groß. Er iſt ein wahrer Erhalter der Wälder und ſollte auf alle Weiſe geſhont werden.“ Hierin ſtimmen faſt alle Beobachter überein. „Wenn er an ſ{<hwachen Äſten hat“, ſügt Naumann hinzu, „bemerkt man, daß er oft plößlih auf die andere Seite läuft und nachſieht, um auch die dur<h das Pochen hier aufgeſheuhten und entfliehenden Kerbtiere wegfangen zu können; denn dieſe machen es gerade wie die Regenwürmer, wenn der Maulwurf die Erde aufwühlt. Sie kennen die Annäherung ihres Todfeindes ſo gut wie dieſe.“

Ausnahmsweiſe geſchieht es übrigens doch, daß ſih der nüßliche Vogel kleine Sünden zu ſchulden kommen läßt. So wurde nah Wieſes Verſicherung im Fahre 1844 ein Buntſpet geſchoſſen, um feſtzuſtellen, was er in ſeinem Schnabel zu ſeinen Fungen tragen wollte, und man fand bei ihm eine junge, no< ganz na>te Meiſe, auf welche er wahr\<heinli< zufällig bei ſeiner Kerbtierjagd geſtoßen war. Doch geſchehen derartige Übelthaten gewiß ſehr ſelten. Viel häufiger nährt er ſi<h von Sämereien und zumal von Haſelnüſſen und Kiefernſamen. Erſtere bricht er ab, trägt ſie in den Spalt eines Baumes, den er dazu vorgerichtet hat, und ha>t ſie auf. An Fichtenzapfen ſicht man ihn oft hängen und arbeiten; häufiger noch beißt er ſie ab, ſhleppt ſie auf einen Aſt und frißt den Samen heraus. Während der Samenreife unſerer Nadelbäume verzehrt er mit Vorliebe Kiefernſamen, obglei es ihm niht leiht wird, zu dieſem zu gelangen. „Wenn er Kiefernſamen freſſen will“, berihtet mein Vater, „ha>t er erſt auf der oberen Seite eines geſpalteten oder dürren Aſtes ein Loch, ſo daß ein Kiefernzapfen zur Hälfte hineingeht. Einmal habe ih ein ſolches Loh auch in der di>en Rinde einer Kiefer nahe am Boden geſehen; es wurde aber wenig benußt. Fſſtt das Loch fertig, ſo fliegt der Buntſpeht nah der Krone des Baumes und von Aſt zu Aſt, um es bequem zu haben, läuft auh auf einem Zweige vor, faßt ein Zäpfchen mit dem Schnabel am Stiele und beißt es ab, aber ſo, daß er es mit dem Schnabel noh halten kann, trägt es nun zu dem beſchriebenen Loche und legt es ſo hinein, daß die Spiße nach oben zu ſtehen kommt. FJeßt faßt er es mit den inneren Vorderzehen und hat ſo lange auf die Spitze, bis die De>kelchen zerſpalten und der Samen herausgeklaubt werden kann. Ft er mit einem Zapfen fertig, was 3—4 Minuten Zeit koſtet, ſo holt er einen anderen auf dieſelbe Art, wirft aber den vorigen nie eher herab, als bis er den zweiten in das Loch legen kann. Es ſcheint mir diez um deswillen zu geſchehen, damit er den alten noch einmal dur<hſuchen könne, wenn er keinen neuen fände; denn rein ausgefreſſen, wie von den Kreuzſhnäbeln, werden die Zapfen nie. Dies Geſchäft ſeßt er oft den größten Teil des Tages fort und zwar auf demſelben Baume. Jh habe in meinem Walde eine Kiefer, auf welcher ein und derſelbe Specht oft viele Wochen lang ſein Weſen treibt. Schon Mitte Auguſt beginnt er Kiefernſamen zu freſſen, ob dieſer gleih no< niht vollkörnig, geſchweige reif iſt, und während des Winters nährt er ſih faſt lediglih von ihm. Von den Kiefernzapfen iſt ſein Schnabel zum Teile mit Harz bede>t, während man an den Schnäbeln anderer Spechte oft Erde findet.“

So geſchi>t der Buntſpecht im Aufha>en der Kiefernzapfen iſt, ſo wenig Ausdauer beweiſt er beim Anlegen ſeines Neſtes. Er beginnt viele Höhlungen auszuarbeiten, bevor er eine einzige vollendet, und wenn irgend möglih, ſucht er eine ſolche wieder auf, in welher ex oder einer ſeiner Anverwandten früher ſhon brütete. Wenn er weiche Baumarten zur Verfügung hat, wie dies beiſpielsweiſe in den ruſſiſchen und ſibiriſhen Wäldern faſt überall der Fall iſt, bevorzugt ex dieſe den hartholzigen ſo entſchieden, daß man faſt mit Beſtimmtheit darauf re<hnen kann, in jeder zwiſchen Kiefern und Fichten eingeſprengten