Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Rotkehlchen: Verbreitung. Aufenthalt. Weſen. 55

überhaupt große Behendigkeit. Gern zeigt es ſi frei auf einem hervorragenden Zweige oder auf dem Boden; ungern aber, bei Tage wohl kaum, fliegt es in hoher Luft dahin, iſt vielmehr ſtets ſehr auf ſeine Sicherung bedacht, ſo ke> es ſonſt auh zu ſein ſcheint. Den Menſchen fürchtet es kaum, kennt aber ſeine Feinde wohl und bekundet bei ihrem Erſcheinen Angſt oder Beſorgnis. Schwachen Geſchöpfen oder ſeinesgleihen gegenüber zeigt es einen ſiebenswürdigen Mutwillen, aber auh Ne>luſt und unlieben8würdige Zankſucht , lebt deshalb nicht eben geſellig und ſelten in Frieden. Doch hat man anderſeits auh das gute Gemüt fennen gelernt und erfahren, daß es mitleidig, ja barmherzig fein kann. Verwaiſte

Rotfehl<hen (Erithacus rubeculus) und Gartenrotſ<wanz (Eribhacus phoenicurus). ?/2 natürl. Größe.

Singvögel, welche no< nicht im ſtande ſind, ſich durchs Leben zu helfen, haben in Rotkehlcen treue Pflegeeltern, Kranke der eignen Art barmherzige Helfer gefunden.

Zwei Rotkehlhenmännchen, welche in meinem Heimatsorte gepflegt wurden und einen und denſelben Käfig bewohnten, lebten beſtändig in Hader und Streit, mißgönnten ſich jeden Biſſen, anſcheinend ſelbſt die Luft, welche ſie atmeten, und biſſen ſih aufs heftigſte, jagten ſih wenigſtens wütend in dem ihnen gegönnten Naume umher. Da geſchah es, daß eins dur einen unglü>lichen Zufall das Bein bra<h. Von Stunde an war aller Kampf beendet. Das geſunde Männchen hatte ſeinen Groll vergeſſen, nahm ſich mitleidig des ſ<hmerzgepeinigten Kranken an, trug ihm Nahrung zu und pflegte ihn auf das ſorgfältigſte. Der zerbrochene Fuß heilte, das frankgeweſene Männchen war wieder fräftig wie vorher; aber der Streit zwiſchen ihm und ſeinem Wohlthäter war für immer beendet. Ein anderes männliches Rotkehlchen, von welchem Snell Kunde erhielt, wurde am Neſte ſeiner Jungen