Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Klecho: Verbreitung. Lebensweiſe. Fortpflanzung. 723

ſeinem Neſtbaue ſo höchſt merkwürdige und eigentümliche Verhältniſſe dar, Daß er in diefer Hinſicht bis jezt wohl einzig daſteht. Ganz gegen die Gewohnheit anderer verwandten Arten, an Fels- oder Mauerwänden, in Spalten und Löchern 2c. des Geſteines zu niſten, wählt er frei ſtehende Äſte hoh im Wipfel der Bäume, um ſein Neſt an ſie anzubauen. Fſſtt {hon die Wahl eines ſolchen Ortes für einen zur Familie der Segler gehörigen Vogel merkwürdig, ſo iſt das Verhältnis in der Größe zwiſchen Vogel, Neſt und Ei noch viel auffallender. Das Neſt erinnert dur ſeine mehr oder weniger halbrunde Geſtalt und die Weiſe, wie die es zuſammenſeßenden Stoffe untereinander verbunden ſind, einigermaßen an die Neſter der Salangane, iſt jedoch viel kleiner und flacher. Die von mir gemeſſenen Neſter waren bei einer Tiefe von 1 cm niht über 3—4 cm breit.

„Das Neſt iſt ſtets an einem wagerechten, etwa 2 em di>en Aſte, der zugleich die hintere Neſtwand bildet, befeſtigt und ſtellt ſo zu deſſen Seite einen ziemlich flachen, länglich halbrunden Napf dar, eben groß genug, um das einzige Ei aufnehmen zu können. Die Neſtwände ſind äußerſt dünn und zart, kaum di>er als Pergament. Sie beſtehen aus Federn, einzelnen Stückchen Baumflechten und kleinen Rindenteilen, welche Stoffe dur ein Üeberiges Bindemittel zuſammengeleimt ſind, ohne Zweifel, ähnlich wie bei den Salanganen, dem Speichel des Tieres, zumal auth bei den Baumſeglern die Speicheldrüſen zur Zeit der Fortpflanzung auffallend anſchwellen. Die Kleinheit und Gebrechlichkeit des Neſtes erlaubt dem brütenden Vogel nicht, ſi darauf zu ſetzen; er ſigt vielmehr, wie ich dieſes wiederholt beobachtet habe, auf dem Aſte und bede>t allein mit dem Bauche das Neſt und das darin befindliche Ei. Dieſes entſpricht, da es einen Längsdurchmeſſer von 25 und einen größten Querdurchmeſſer von 19 mm hat, durchaus der Größe des Vogels. Es iſt von regelmäßiger, volllommen eirunder Geſtalt, ſo daß es niht möglich iſt, ein ſpigeres oder ſtumpferes Ende an ihm zu erkennen. Seine Farbe iſ ein ſehr blaſſes Meerblau, das nah dem Ausblaſen noc bläſſer wird und dann weiß, ſ<hwa<h ins Bläuliche ſpielend erſheint. Meinen Beobachtungen nach macht der Vogel jährlih zwei Bruten bald nacheinander, die erſte im Mai oder Funi, bedient ſih jedo< nux ſelten desſelben Neſtes wieder.

„Das offenbare Mißverhältnis der Größe zwiſchen Vogel, Neſt und Ei machte mih begierig, das Junge zu beobachten, das anſcheinend wenige Tage nah dem Auskriechen aus dem Ei keinen Plaß mehr in dem kleinen, gebre<hlichen Neſte finden konnte. Jh ließ daher ein Paar des Vogels ungeſtört ſein Ei ausbrüten. So wie ih erwartet hatte, füllte das Junge ſhon nach wenigen Tagen das Neſt vollkommen aus und fand darin bald keinen Plaß mehr. Es verließ alſo das Neſt und nahm dieſelbe Stellung ein, die früher das brütende Weibchen eingenommen hatte, d. h. auf dem Aſte, und ruhte nur mit ſeinem Bauche im Neſte. Jn dieſem Zuſtande, hilflos auf dem Aſte ſißend, würde das junge Geſchöpf eine leichte Beute jedes Raubvogels, der Krähen 2c., werden, enn es ſich niht durch ein höchſt eigentümliches Benehmen, das einigermaßen andas der Nohrdommeln erinnert, den Augen dieſer Räuber zu entziehen wüßte. Abgeſehen nämlich davon, daß das Junge die einmal eingenommene Stelle auf dem Aſte vor dem Neſte nicht eher verläßt, als bis es völlig erwachſen iſt, re>t es, ſobald es etwas Verdächtiges oder ihm Fremdes bemerkt, inſtinktmäßig den Hals in die Höhe, ſträubt die Federn, kauert ſich nieder, ſo daß von den Füßen nichts zu ſehen iſt, und ſigt völlig unbeweglich, ſo daß man es, zumal auch ſein dunkelgrün, weiß und braun gemarmeltes und geſche>tes Geſieder mit der Farbe des meiſtens mit grünlichweißen Flechten bede>ten Aſtes übereinſtimmt, leiht überſieht. Ja ſelbſt als der Vogel erwachſen war und ih nun den Aſt mit dem Neſte abſchneiden ließ, beobachtete er dasſelbe Benehmen und ſaß, ohne das mindeſte Lebenszeihhen von ſih zu geben, unbeweglich ſtill, während doh andere Vögel mit hungrigem Geſchrei die offenen Schnäbel jedem Beſucher entgegenzuſtre>en pflegen.“

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