Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

60 Erſte Dronung: Baumvögel; erſte Familie: Sänger.

kreiſchender und krächzender Töne, welche jedes Wohlklanges bar ſind. Aber auch er beſit die Gabe, anderer Vögel Lieder na<hzuahmen. Jä>el hat gehört, daß er den Geſang des Laub-, Garten- und Schilfſängers, der Grasmüce, der Finkmeiſe, den Locton der Haubenmeiſe, der Goldammer, des Zeiſiges, ja ſelbſt das Geſhwäß der Stare täuſchend nachahmte; mein Vater hat Ähnliches beobachtet. Doch läßt der Vogel, auc wenn er natahmt, zwiſchen den erborgten Klängen immer ſeine krähzenden Laute vernehmen.

Der Rotſhhwanz nährt ſi faſt ausſchließlih von Kerbtieren, vorzugsweiſe von Fliegen und Schmetterlingen. Auf den Boden herab kommt er ſelten, hält ſi hier auh nux in ſtillen Gehöften, dort oder auf Lattenzäunen längere Zeit auf, um niedrig fliegende Beute zu erhaſchen oder reife Beeren im Garten zu pflü>en. Nach verborgener Nahrung ſtöbert er niht mit dem Schnabel umhex, lieſt vielmehr einfah ab oder fängt im Fluge. Schmetterlinge, welche andere Vögel verſhmähen, verzehrt er gern und erweiſt ſi< dur< Vertilgung ſchädlicher Arten ſehr nüglich.

Die Fortpflanzung fällt in den Mai. Jedes Männchen zeigt ſi< währenddem und ſchon vorher im höchſten Grade erregt, verfolgt, wie Karl Müller richtig ſchildert, das Weibchen ungeſtüm dur< Höfe, Gärten und Gaſſen, krähzt und ſingt dabei abwechſelnd, ſtürzt ſih von hohem Firſte herab und legt ſi< der Gattin förmlih zu Füßen platt auf einen Ziegel, ſchlägt mit den ausgebreiteten Flügeln, drüdt den gefächerten Schwanz bald gegen das Dach, fleht und jauchzt und berührt mit dem Schnabel den des Weibhens. Auch dieſes teilt die Erregung des Gatten und verfolgt mit Wut jedes andere ſeines Geſchlechtes, welches dem erwählten Männchen oder der erkorenen Niſtſtätte ſi< nähert. Jm Gebirge niſtet das Paar in Felſenlöchern und Rigen; in der Ebene legt es ſein Neſt faſt aus\<hließlih in Gebäuden an, bald in Mauerlöchern, mit weiterer oder engerer Öffnung, bald frei auf Balkenköpfen, auf Geſimſen und auf anderen hervorragenden Punkten, welche einigermaßen vor dem Wetter geſ<hüßt ſind. Zuweilen, aber ſehr ſelten, kommt es vor, daß es ſih auc einer Baumhöhle bemächtigt. Wo im Gebirge Knieholz und Fichten einzelne Fel8maſſen umgeben, kann es während der Brutzeit zum Waldbewohner werden und auf dem Boden, unter Geſtrüpp und Geſtein ſein Neſt erbauen, wo es ihm an paſſenden Niſtgelegenheiten gebriht, alle Scheu vergeſſen und zum Zimmerbewohner werden, ſelbſt einen Schulofen oder Brieffaſten als geeignete Niſtſtätte- erahten. Das Neſt füllt, wenn es in Höhlungen errichtet wurde, dieſe einfah aus; zierlicher gearbeitet dagegen iſt es, wenn es frei auf einem Balken ſteht. Hier wird allerdings auh ein großer Haufe von Wurzeln , Pflanzenſtengeln und Halmen unordentli<h zuſammengetragen, die Mulde innen aber mit vielen Haaren und Federn ſehr weih ausgepolſtert. Das Gelege bilden 5—7 niedliche, 19 mm lange, 14 mm die, zartſchalige, glänzend hellweiße Eier. Beide Eltern brüten, beide füttern die Brut groß, nehmen überhaupt gleichen Anteil an ihrem Geſchi>ke. Bei Gefahr beweiſen ſie wahrhaft erhabenen Mut und ſuchen durch allerlei Mittel die Aufmerkſamkeit des Feindes von ihren geliebten Kindern abzuwenden. Die Jungen verlaſſen das Neſt meiſt zu früh, werden daher auch leiht eine Beute der Raubtiere, erlangen aber binnen wenigen Tagen Gewandtheit und Selbſtändigkeit. Sobald die Eltern glauben, daß ſie hinlänglih geſchi> im Gewerbe ſind, ſchreiten ſie zur zweiten und ſelbſt zur dritten Brut. Mitunter kommt es vor, daß einzelne Hausrotſhwänze gerade während der Brutzeit merkwürdige Freundſchaften eingehen. „Fn meinem Holzſtalle“/ erzählt Päßler, „legte das Rotſhwänzchen in ein Schwalbenneſt. Als deſſen Erbauer von ihrer Winterreiſe zurückkamen und ihr Neſt beſeßt fanden, bauten ſie ein anderes dicht neben dem alten. Während die Rauchſchwalben no<- mit dem Baue beſchäftigt waren, fing das Rotſhwänzchen an zu brüten und wurde von den emſigen Shwalben oft mit dem Schwanze bede>t und über das Geſicht geſtrichen. ließ ſih aber niht ſtören. Später fing auch die Shwalbe an zu brüten, und beide Mütter