Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Waſſerſ<hmäßer: Vorkommen. Bewegungen. Weſen. 71

der Stelzen oder Uferläufer Shwanz und Hinterleib auf und nieder bewegend, watet von den Steinen herab bis in das Waſſer hinein, tiefer und tiefer, bis zur halben Oberbruſt, bis zu den Augen, noch tiefer, bis das Waſſer über ihm zuſammenſchlägt, und luſtwandelt ſodann, 15—20 Sekunden lang, auf dem Grunde weiter, unter den Wellen oder im Winter unter der Eisde>e dahin, gegen die Strömung oder mit ihr, als ginge er auf ebenem Boden. Er ſtürzt ſih in den ärgſten Strudel, in den tollſten Waſſerſturz, watet, {hwimmt, benußt ſeine furzen Flügel als Ruder und fliegt ſozuſagen unter dem Waſſer dahin, wie er eine ſenkre<ht hinabſtürzende Waſſermaſſe in Wirklichkeit fliegend dur<hſchneidet. Kein anderer Vogel beherrſcht in derſelben Weiſe wie er das Waſſer. Nicht immer watet er von ſeinem erhöhten Sißpunkte aus allmählich in das Waſſer, ſondern ſehr häufig auch ſtürzt er ſih von ſeiner Warte herab jählings in die Tiefe, eher nah Art des Froſches als nach Art eines Eisvogels. Sein Flug erinnert an den des Eisvogels, ähnelt aber vielleicht noh mehr dem unſeres Zaunkönigs. Aufgeſcheucht, fliegt er mit ſ<nell aufeinander folgenden Flügelſhlägen in gleicher Höhe über dem Waſſer dahin, jeder Krümmung des Baches folgend. Der Flug endet plötlich, ſowie er bei einem neu geſicherten Ruhepunkte angekommen iſt; es geſchieht aber au<h und gar nicht ſelten, daß er, von einer erſpähten Beute angezogen , jählings aus der Luft herab in das Waſſer ſtürzt. Wenn er ſi verfolgt ſieht, durhfliegt er wohl eine Stre>e von 400—500 Schritt; ſonſt ſchwirrt er gewöhnlih nur von einem erhabenem Steine zum anderen. Wird die Jagd ernſter, und ſieht er ſich gefährdet, ſo verläßt er zuweilen die Tiefe, in welcher er bisher dahinzog, und ſteigt ſteil in die Luft empor, bis über die Wipfelhöhe der Uferbäume und no höher. Unter ſolchen Umſtänden fann es auc geſchehen, daß er von der einmal begonnenen Richtung abweicht, ſelbſt den Lauf des Baches verläßt und in großen Bogen ſih weiter vorwärts wendet oder zu ſeinem früheren Sißpunkte zurückehrt. Wenn er ſich unbehelligt ſieht, fommt es nach A. von Homeyers Beobachtungen vor, daß er im Fluge Halt macht, faſt rüttelnd über einer und derſelben Stelle ſi< hält hierauf mit lang herabhängenden Ständern zum Waſſer herniederſtürzt und in ihm verſhwindet.

Obgleich wir mit Beſtimmtheit nur behaupten können, daß die höheren Sinne und namentlih Geſicht und Gehör des Waſſerſchmäßers auf ſehr hoher Stufe ſtehen, müſſen wir doch annehmen, daß auch die übrigen nicht verkümmert ſind. Die geiſtigen Fähigkeiten dürfen unzweifelhaft als ſehr entwi>elte bezeihnet werden. Der Waſſerſchmäzer iſt klug, vorſichtig, verſchlagen und allerorten, wenn auh niht ſcheu, ſo doh höchſt aufmerkſam auf alles, was rings um ihn vorgeht. Ex kennt ſeine Freunde genau und niht minder gut ſeine Feinde. Den Menſchen, welcher ſeinen ſtillen Wohnſib einmal betritt, flieht er von weitem; vor Raubtieren aller Art nimmt er ſi< niht weniger in aht. Aber derſelbe Vogel, welcher in der Sierra Nevada oder unter den Gletſchern der Schweizer Alpen ebenſo ſcheu iſt wie an Lapplands Gebirgswäſſern, gewöhnt ſih an das Treiben des Menſchen und wird ſogax ungemein zutraulich, ſobald er die feſte Überzeugung gewonnen hat, daß ihm keine Gefahr droht. Jn der Nähe der Mühlen iſ er ein regelmäßiger Gaſt, welcher in dem Müller und ſeinen Knappen nur gute Freunde ſieht; ex kann ſih aber auch inmitten der Dorfſchaften ſehr ſicher fühlen. So beobachtete A. von Homeyer ein Waſſerſhmäßerpärchen mitten in der Stadt Baden-Baden, unmittelbar vor den lebhafteſten Gaſthäuſern, welches ohne Bedenken vor den Augen der Badegäſte ſeine Taucherkünſte trieb, weil es aus Erfahrung wußte, daß es dies hier unbeſorgt thun durjte.

Nach Art ſo vieler anderer Fiſcher liebt der Waſſerſhmäßer die Geſellſchaft ſeinesgleien durchaus nicht. Bloß während der Brutzeit ſicht man die Paare im innigen Verbande, und nux, ſolange die Jungen der elterlichen Führung bedürſtig ſind, die Familien zuſammen; in allen übrigen Abſchnitten des Jahres lebt jeder Waſſerſchmäßer mehr oder weniger