Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2, str. 560

518 Vierte Ordnung: Hühnervögel; erſte Familie: Faſanvögel.

Die Nahrung beſteht hauptſähli<h aus Pflanzenſtoffen, im Winter faſt nur aus den Blattknoſpen der erwähnten Geſträuche und aus verdorrten Beeren, im Sommer aus zarten Blättern, Blüten, Sprößlingen, Beeren und verſchiedenen Kerbtieren, die gelegentlich mit erbeutet werden. Jn den litauiſhen Mooren ſt es, zumal im Winter, oft faſt ausſ<ließli<h von einer häufig dort vorkommenden ſ{<hwarzen Beere, die im Volksmunde „Ratenbeere“ genannt wird, wahrſcheinlih der Nauſchbeere, und gräbt ſi ihr zuliebe tiefe und lange Gänge im Schnee. Körner aller Art werden, wie die gefangenen beweiſen, gern gefreſſen. Nach eignen Beobachtungen äſen die Moorhühner im Sommer und, wie wir dur Barth erfahren, auh im Winter nur in der Naht, im Sommer etwa von 10 Uhr abends bis 2 Uhr morgens, im Winter ſhon merklih früher. Um dieſe Zeit begeben ſie ſi< in der Dämmerung bergabwärts und bei Tagesanbruch an ihre Lagerpläße zurü>. Sind leßtere niht weit entfernt von denen, wo ſie ihre Nahrung ſuchen, ſo legen ſie den Rü weg zu Fuße zurück, und man kann dann nach friſhem Schneefalle ihre Spuren von den Futterpläßen aus verfolgen, um ſie in einer Entfernung von etwa 800 Schritt zu finden. Von Mitte März bis Mitte April ſieht man ſie in Norwegen wohl au< am Vor: und Nachmittage in den Kronen der Birken ſtehen, deren Knoſpen ihnen um dieſe Zeit ſo gut wie aus\<ließli<h zur Nahrung dienen, und es gewährt dann einen wundervollen Anbli>, wenn Hunderte dieſer weißen Vögel von dem dunkeln Gezweige abſtechen.

Um Mitte März geſellen ſih die Paare und beginnen bald darauf in der oben geſcilderten Weiſe zu balzen. Noh während der Balz legt das Weibchen ſeine Eier. An ſonnigen Abhängen der Hochebene, zwiſchen dem bereits ſchneefreien Geſtrüppe der Heide, zwiſchen Heidel-, Mehl- und Moosbeeren, im Gebüſche der Salweide oder Zwergbirke, in Wacholderbüſchen und an ähnlichen verſte>ten Pläßen hat es ſih eine flache Vertiefung geſcharrt und mit einigen dürren Grashalmen und wenigen anderen tro>enen Pflanzenteilen, auch mit eignen Federn und mit Erde ausgelegt, den Standort des Neſtes aber unter allen Umſtänden ſo wohl gewählt, daß man es ſhwer findet, obgleich der Hahn ſein Möglichſtes thut, es zu verraten. Er zeigt jeßt ſeinen vollen Mut; denn er begrüßt jeden Menſchen, jedes Raubtier, welches ſih naht, dur< das warnende „Gaba-u gaba:u“, ſtellt ih dreiſt auf einen der kleinen Hügel, fliegt aufgeſheu<t nur wenige Schritte weit und wiederholt das alte Spiel, unzweifelhaft in der Abſicht, den Feind vom Neſte abzubringen. Gegen andere Hähne verteidigt er ſein Gebiet hartnä>ig; eine unbeweibte Henne aber ſcheint ſeine Begriffe von ehelicher Treue weſentlih zu verwirren: wenigſtens iſt er troß ſeiner Liebe zur Gattin ſtets geneigt, in ihrer Geſellſchaft einige Zeit zu vertändeln. Die Henne bleibt bei Gefahr möglichſt lange ruhig ſißen, ſcheint ſih anfänglih gar niht um das ihr drohende Unheil zu bekümmern und ſchleicht erſt weg, wenn man unmittelbar neben ihrem Neſte ſteht, dann freilich unter Aufbietung aller in der Familie üblichen Verſtellungskünſte. Gegen andere Hennen ſoll auch ſie ſih ſehr ſtreitſüchtig zeigen, und zudem behaupten die Norweger, daß eine Henne der anderen, falls dies möglich, die Cier raube und na< ihrem Neſte bringe. Auch während der Brutzeit noh ſind Moorſchneehühner um Mitternacht am lebhafteſten; man vernimmt ihr Geſchrei ſelten vor der zehnten Abendſtunde. Folgt man dem Rufe des Männchens, ſo kann man beobachten, daß ein Hahn den anderen zum Kampfe fordert und mit dieſem einen ernſten Streit ausfiht, bis endlich die Henne vom Neſte aus mit ſanftem „Djake“ oder „Gu gu gurr“ den Gemahl nah Hauſe ruft.

Das Gelege iſt Ausgang Mai, ſicher Anfang Juni vollzählig und beſteht aus 9—12, zuweilen auh aus 15, 16, ſelbſt 20 birnförmigen, glatten, glänzenden Eiern von durhzſchnittlih 42 mm Länge und 30 mm größter Dicke, die auf o>ergelbem Grunde mit zahlloſen leberbraunen oder rotbraunen Fle>chen, Pünkthen und Tüpfelchen bede>t ſind. Die Henne widmet ſi dem Brutgeſchäfte mit größter Hingebung; der Hahn ſcheint an ihm