Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2, str. 578
536 Vierte Ordnung: Hühnervögel; erſte Familie: Faſanvögel.
die Familie wie unſere Rebhühner unter gleichen Umſtänden. Auch die jungen Rothühner lernen wenige Tage nah dem Auskriechen flattern, we<ſeln raſh die Shwingen, die für die Laſt des Leibes bald zu ſ{<hwa< werden, und ſind bereits in der dritten Woche ihres Lebens äußerſt bewegliche und gewandte Geſchöpfe. Fhre Ausbildung beanſprucht zwiſchen 4 und 5 Wochen. Anfänglich leben ſie von Kerbtieren, Larven, Würmern und feinem Geſäme; ſpäter halten ſie ſi, wie die Alten, gänzlich an leßteres und an Grünzeug mancherlei Art, das ihnen, wie es ſcheint, zugleih die Tränke erſeßen muß.
„Die Rothühner werden in Spanien eifrig gejagt. Jhre Verfolgung beginnt bereits, wenn die Jungen die Größe einer Wachtel erreiht haben. Man ſucht die Völker entweder mit Hühnerhunden oder dur{hſtreift auf gut Glück die von ihnen bewohnte Stre>e. Jm Herbſte bedient man ſi<h mit Erfolg eines Lo>vogels. Am eifrigſten betreibt man die Jagd während der Paarungszeit; ſie iſt dann auh unbedingt die anziehendſte, die man auf die Vögel ausüben kann, und dabei ganz eigentümli<h. Der Jäger begibt ſih mit einem Lo>vogel, „Reclamo“, den er in einem ſogenannten Gloœenbauer mit ſi< führt, dahin, wo er Rothühner vermutet, und errichtet aus umherliegenden Steinen eine ungefähr 1 m hohe Mauer, die ihm als Verſte> dienen ſoll; 10 oder 15 Schritt davon entfernt ſtellt er den Käfig auf einen erhöhten Punkt und bede>t ihn leiht mit Reiſern, nachdem er vorher den Überzug, der das Gebauer bis dahin verhüllte, abgenommen hat. Fſt der Lo>kvogel gut, ſo beginnt er ſogleih ſeinen Ruf mit einem wiederholten Tata‘, dem dann der eigentliche Lo>ruf, ein ,Tactera>‘, folgt. Jun der Regel währt es nur einige Minuten, und es erſcheint ein Rothuhn in der Nähe des Käfigs. Da man zu Anfang der Paarungszeit Hähne als Lockvögel benutzt, ſo kommt es vor, daß ſowohl Hähne wie Hennen ſih bei dem Schüßen einſtellen, häufig au< das Paar. Sie ſehen ſi< na< dem Gefährten um, antworten auf ſeinen Ruf, und da ſie ſi< dem Schüßen frei zeigen, werden ſie auf leichte Weiſe erlegt. Dieſe Jagd währt ungefähr 14 Tage. Haben die Hennen bereits gelegt und bebrüten ihre Eier, ſo nimmt der Jäger anſtatt des Hahnes eine Henne als Lockvogel und verfährt ganz in der eben beſchriebenen Weiſe. Es erſcheinen jeßt nur die ungetreuen oder unbeweibten Hähne, nähern ſich mit hängenden Flügeln und geſträubten Kopf: und NaŒÆenfedern, furz in der Balzſtellung, dem Verſte>e des Schüßen, führen vor der Henne, die ſie wohl hören, aber nicht ſehen können, zierlihe Tänze auf und werden dabei in der vollſten Fubelluſt des Lebens meuchlings getötet. Der Jäger wartet, wenn ein Hahn erlegt wurde, ob ſich ein zweiter zeigen will, und kann ſicher darauf rechnen, daß, wenn noh ein Hahn im Umkreiſe eines Kilometers vorhanden iſt, dieſer ebenfalls bald erſcheinen wird; ja, es fommt vor, daß zwei, drei Hähne zu gleicher Zeit eintreffen, ſih heftig bekämpfen und oft zugleich dem tödlihen Schuſſe erliegen. Antwortet kein Hahn auf das fortgeſeßte Rufen des Lo>vogels, ſo verläßt der Jäger ruhig ſeinen Anſtand, nähert ſih langſam dem Käfige und zieht die Hülle darüber, lieſt die toten Hähne zuſammen und ſucht einen anderen Plas zur Jagd auf. Man muß ſorgfältig vermeiden, unmittelbar nah dem Schuſſe aus dem Verſte>e hervorzuſpringen, um etwa den getöteten Hahn aufzunehmen; denn dadurh wird der Lockvogel ſcheu, ruft in der Regel nicht wieder, verliert ſogar zuweilen ſeine Brauchbarkeit für immer. Hauptſählih dieſer Jagdart wegen wird das Rothuhn in Spanien allgemein zahm gehalten. Jn gewiſſen Gegenden fehlt wohl in keinem Hauſe eine „Perdiz“, und eifrige Jäger halten deren mehrere nah den Geſchlechtern in verſchiedenen Räumen und Käfigen. Ein guter Lo>vogel wird teuer bezahlt, oft mit 400—500 Mark; in ihm beſteht zuweilen der ganze Reichtum eines Jagdkundigen; denn gar nicht ſelten kommt es vor, daß ein einziger Schüße während der „Reclamo- Zeit“ 60 —80 Paar Rothühner erlegt. Zwar iſt dieſe Jagd verboten; doh kümmert ſih der Spanier um jedes andere Geſeß noh mehr als um das, das gegeben wurde, um ſeiner Vernichtung8wut entgegenzutreten.