Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2, str. 590

546 Vierte Ordnung: Hühnervögel; erſte Familie: Faſanvögel.

Der Frankolin iſt nicht beſonders ſcheu, pflegt aber, wenn er ſi verfolgt ſieht, immer in einer gewiſſen Entfernung vox dem Jäger zu laufen, ſih dabei möglichſt zu verbergen und nux dann eine freie Stelle zu überſchreiten, wenn er dies unbedingt thun muß. Fn dieſer Weiſe läuft er manhmal 2—83 Minuten lang vor dem Jäger her, ehe er ſi< zum Aufſtehen entſchließt. Auch dur den Hund läßt er ſi lange treiben, rennt eiligen Laufes, ſchneller als jeder Vierfüßler, unter den Gebüſchen hinweg, zwängt ſih gewandt dur das filzigſte Dickicht, huſcht wie ein rollender Stein über freie Pläße und ſucht erſt, wenn er ermüdete, in einem der dichteſten Büſche Zuflucht oder doh ein Verſte>, aus welchem er nur dann auffliegt, wenn der Hund in unmittelbare Nähe gekommen iſt, oder der Fuß des Jägers ihn faſt berührt. Nunmehr erhebt er ſih geräuſchvoll mit ununterbrochenen Flügelſ{<lägen, ſtreicht in gerader Linie ſo langſam dahin, daß er ſelbſt dem ungeübteſten Schügen faſt regelmäßig zum Opfer fällt, und wirſt ſich, nachdem er einige hundert Schritt zurüdtgelegt hat, wieder zum Boden hinab, um laufend weiter zu flüchten. Nach Lord Lilfords Beobachtungen ſteht das Männchen ſtets zuerſt auf, und zwar mit einem Sprunge und hierauf folgenden Flügelſchlägen, die es im Anfange ſenkrecht in die Luft führen, worauf es dann in erwähnter Weiſe zu fliegen beginnt. Die Henne erhebt ſih gewöhnlih auf den Schuß, der dem Männchen galt, begleitet leßteres alſo, wenigſtens bis zum Auffliegen, laufend, und zwar ſo regelmäßig, daß man es bei der Jagd faſt jedesmal zu ſehen bekommt.

Der Frankolin brütet in den Monaten April bis Juli. Das Neſt wird je nah des Ortes Gelegenheit gewöhnlih in hohem Graſe oder in einem vom Graſe dur<hwachſenen Buſche, zuweilen au< in einem Jndigofelde und manchmal ſelbſt im Zu>errohre angelegt. Das Gelege bilden 10—15 fahlbraune, mit eigentümlichen kleinen, weißen Schalenfle>en getüpfelte Cier von etwa 40 mm Längs- und 30 mm Querdurhmeſſer. Die Mutter brütet wahrſcheinlich allein, wie lange, iſ unbekannt; beide Eltern aber führen und leiten die Fungen bis zu dem angegebenen Zeitpunkte.

Der Frankolin bildet überall, wo er vorkommt, einenGegenſtand eifriger, richtiger wohl rüdſichtsloſer Jagd und fällt, wie bemerkt, leider auh dem ungeſchi>teſten Schüßen zum Opfer. Ob hierin der Grund ſeiner teilweiſen Ausrottung gefunden werden darf, mag UNentſchieden bleiben, eine der wihtigſten Urſachen iſt die Leichtigkeit ſeiner Jagd gewiß. Zwar ſtellen ſelbſtverſtändlih auch alle in Frage kommenden Raubtiere: Fuchs und Schakal, Sumpfluchs und andere Wildkaßen, Marder und Wieſel, Adler, Falken und Eulen, vielleicht ſogar Schlangen, unſerem Huhne nach; ſie alle aber würden \{<werli< ſeine Ausrottung herbei: geführt haben, träte nicht der Menſch als ſ{hlimmſter aller Feinde in ihre Reihe. Die Klage über die Abnahme dieſes vorzüglichen Federwildes iſt eine allgemeine und wird ebenſo auf Cypern wie in Judien, in Syrien und Paläſtina wie in Kaukaſien und Perſien vernommen. Glaublichen Nachrichten zufolge bewohnte der Frankolin no< vor einem Menſchenalter in allen angegebenen Ländern jede geeignete Örtlichkeit, hier und da ſelbſt die nähſte Nachbarſchaft der Städte und Dörfer, während er gegenwärtig meiſt ſehr zurückgedrängt und ret ſelten geworden iſ. Jn Spanien ſpra<h man noch in den fünfziger Fahren von ſeinem Vorkommen; auf Sizilien ſoll der lebte ſogar erſt im Fahre 1869 bei einem großen Gaſtmahle verſpeiſt worden ſein. Auf Cypern ſteht ihm, ſeitdem die Inſel an England gekommen iſt, wahrſcheinlih dasſelbe Schickſal bevor, da Engländer bekanntlich nur auf eignem Grunde und Boden Schonung des Wildes auszuüben pflegen. Auch in Kaukaſien nahm der Beſtand unſeres Huhnes erſt ſeit Anſiedelung des Landes durch die Ruſſen und andere Europäer unaufhaltſam ab. Vis dahin hatten die Tataren nach alter Art nur mit abgetragenen Habichten und anderen Falken gejagt, ohne dadurh den Beſtand des Wildes erheblich zu beeinträchtigen; das Feuergewehr in der Hand europäiſcher Jäger aber bereitet hier wie überall auch dieſem Wilde ſicheren Untergang.