Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3
34 Siebente Ordnung: Suchvögel; erſte Familie: Negenpfeifer.
meinem Garten, war ein Stand und Siß von Brettern für eine Perſon, wenigſtens 1,5 m hoh über dem Waſſerſpiegel, angebracht; dieſer wurde von allen Sandpfeifern, welche in der Zugzeit unſere Teiche beſuchten, zum Ruhepläßchen benußt, obgleih am entgegengeſeßten Ufer, nicht 40 Schritt entfernt, ein ſehr betretener Fußweg vorbeiging, von wo aus ſie dur< Vorübergehende ſehr oft verſcheucht wurden.“ Solche Stellen liebt der Vogel ganz beſonders; denn er iſt niht bloß vorſichtig und heu, ſondern auch im höchſten Grade furhtſam und, obgleich ex ſi<h oft in der Nähe der Ortſchaften und ſelbſt in ihnen aufhält, doch jederzeit auf ſeiner Hut. Dabei beſit er Verſtand genug, gefährliche Menſchen von ungefährlichen zu unterſcheiden, oder Tieren, denen er nicht trauen darf, re<htzeitig auszuweichen. Selten gelingt es den Naubvögeln, ihn zu überliſten; ſelbſt der hartnäckige Sperber wird oft durch ihn getäuſcht, da er, ſobald er jenen fürchterlihen Feind gewahrt, ſo eilig wie mögli in dichtes Gebüſch oder nötigen Falls ins Waſſer flüchtet und ſih dur<h Tauchen zu retten ſucht. Mit anderen Strandvögeln macht er ſi<h wenig zu ſchaffen; nicht einmal die Paare hängen treuinnig aneinander, ſobald die Brutzeit vorüber iſt. Die Stimme, ein zartes, helles, hohes und weit ſchallendes Pfeifen, ähnelt der des Eisvogels und klingt ungefähr wie „hididi“ oder „iht“ und „¡ihdihdihd“/ wird aber während der Paarungszeit in einen Triller zuſammengeſhmolzen, der ſanft beginnt, anſhwillt und wieder abfallend endet, unendlich oft ſih wiederholt und wenigſtens niht unangenehm ins Ohr fällt.
Unmittelbar nah ſeiner Ankunſt im Frühjahre wählt ſich jedes Pärchen ſeinen Stand und duldet in der Nähe kein zweites. Das Männchen zeigt ſich ſehr erregt, ſtreicht in ſonderbaren Ziczackflügen hin und hex, trillert, ſingt und umgeht das Weibchen mit zierlichen Schritten. Dieſes wählt an einer den Hochfluten vorausfichtlih niht ausgeſeßten Uferſtelle, näher oder entfernter vom Waſſer, ein geeignetes Pläßchen im Gebüſche oder baut unter dem Gezweige, am liebſten im Weidicht ein einfaches Neſt aus Reiſern, Schilf, Stoppeln und dürren Blättern fo verſte>t daß man es tro der verräteriſhen Unruhe der Alten gewöhnlich erſt na<h langem Suchen auffindet. Die 4 Eier, die das Gelege bilden, ſind bald fürzer, bald geſtre>ter, dur<hſ<hnittli<h 35 mm lang, 26 mm di>, birnförmig, ſein\chalig, glänzend, auf bleichroſtgelbem Grunde mit grauen Unter-, rotbraunen Mittel- und ſ<hwarzbraunen Oberfle>en gezeichnet und bepunktet. Jede Störung am Neſte iſt den Alten ungemein verhaßt; ſie merken es auh, wenn ihnen ein Ei genommen wird, und verlaſſen dann das Gelege ſofort. Beide Geſchlechter brüten. Die Jungen entſ<hlüpfen nah etwa zweiwöchiger Bebrütung, werden noh kurze Zeit von der Mutter erwärmt und nun den Weidenhagen zugeführt. Hier wiſſen ſie ſi< ſo vortrefflih zu verſte>ten, daß man fie ohne gute Hunde ſelten auffindet, obgleih die Alten den Suchenden unter ängſtlichem Geſchrei umflattern. Nach 8 Tagen brechen ihre Flügel- und Schwanzfedern hervor; nah 4 Wochen ſind ſie flügge und der Pflege der Eltern entwachſen.
Kerbtierlarven, Gewürm und Kerbtiere im Fliegenzuſtande, namentli<h Neß- und Zweiflügler, bilden die Nahrung. Sie wird entweder vom Strande aufgeleſen oder im Fluge weggeſ<hnappt, auh von den Blättern weggenommen. Fliegen, Mücken, Haſte und Waſſerſpinnen beſhleiht der Flußuferläufer, indem er mit eingezogenem Kopfe und Halſe vorſihtig auf ſie zugeht, plößlih den Schnabel vorſchnellt und ſelten ſein Ziel verfehlt.
Jn der Gefangenſchaft gewöhnt er ſih an das vorgeſeßte Stubenfutter, hat ſi< bald heimiſ<h gemacht, wird ſehr zahm, hält ſi<h auf einem kleinen Raume in der Nähe ſeines Freßgeſchirres, beſ<hmußt den Käfig wenig und gewährt ſeinem Beſißer viel Vergnügen.
Raubtiere, Raben, Krähen und Elſtern thun der Brut Schaden; die Alten hingegen haben wenig von Feinden zu leiden, aber in den futterneidiſhen Bachſtelzen entſchiedene Gegner und deshalb mit ihnen beſtändige Kämpfe zu beſtehen.
SS