Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3
10 Siebente Drdnung: Suchvögel; erſte Familie: Regenpfeifer.
Gewäſſer auf und ſteigen, ihnen folgend, hoh im Gebirge empor. Mit Ausnahme der Mittagsſtunden, die ſie teilweiſe ſchlafend verbringen , ſieht man ſie den ganzen Tag in Bewegung. Trippelnd oder rennend laufen ſie längs des Ufers dahin, jeden Augenbli> faſt ein kleines Tier auſnehmend, dabei anhaltend und dann weiter eilend. Geſtört erheben ſie ſi< mit ſ{hnellem, gewandtem Fluge in die Höhe, ſchießen eine Stre>e weit eilig dahin und kehren, einen großen Bogen beſchreibend, in die Nähe des Ortes zurü>, von wel<hem ſie aufflogen. Wenn ſie ſih in Geſellſchaft anderer Strandläufer befinden, thun ſie dieſen alles nach, laufen und fliegen mit ihnen, führen ſelbſt die verſchiedenen Shwenkungen, die das leitende Mitglied des Trupps einhält, im Fluge aus. Eine Uferſchnepfe oder ein großer Waſſerläufer wird gewöhnlich der Ehre gewürdigt, gemiſchten Zügen dieſer Strandläufer vorzuſtehen und ſcheint ſih ſeinerſeits au<h ganz gut unter dem kleinen Volke zu gefallen. Aus meinen Beobachtungen glaube ih {ließen zu dürfen, daß ein derartiges Verhältnis wochenlang beſteht, vielleicht erſt auf dem Rückzuge gelo>ert wird. Dieſe Verbindung erſ<wert zuweilen die Beobachtung der ſonſt höchſt zutraulichen Vögel. Man bemerkt ſehr bald, daß eine der vorſichtigen Uferſchnepfen ihre Ängſtlichkeit auf das kleine Geſindel überträgt und dieſes zuleßt ſo heu macht, daß man Mühe hat, ſi< ihm zu nähern. Beſteht ein ſoler Verein nur aus Strandläufern ſelbſt, ſo übernimmt nicht ſelten der Zwergbrachvogel die Führung, und dann iſt er ebenfalls viel {heuer als ſonſt. Am leichteſten kann man beide beobahten, wenn man ſi< ſtellt, als ob man gar niht auf ſie ate, ſondern ſeines Weges weitergehen wolle; dann iſt man im ſtande, bis auf wenige Schritte an den Trupp hinanzukommen und deſſen Treiben mit Muße zu belauſchen. Alle Mitglieder des Häufchens ſcheinen nur von einem Geiſte beſeelt zu ſein, ſie halten ſich ſtets geſhloſſen zuſammen, rennen immer in derſelben Richtung, ſcheinbar auch gleichzeitig, freſſen dabei beſtändig, erheben ſi<h auf das warnende, etwas ſ{hwirrende Pfeifen des wachhaltenden Männhens, ſtürmen im dichtgeſhloſſenen Fluge nahe über dem Waſſer fort, kehren, nachdem ſie einige hundert Schritt durhmeſſen haben, wieder zurü> und treiben es hier wie vorher. Von beiden Strandläufern bleiben viele ſehr lange, einzelne während des ganzen Sommers in der Winterherberge zurü>, ohne daß man einen zwingenden Grund dafür anzugeben wüßte.
Am Brutplate vereinzeln ſih die zurü>kehrenden Schwärme in Paare die jedo< immerhin no< in einer gewiſſen Verbindung miteinander bleiben, und ſchreiten unmittelbar nah ihrer Ankunft zur Fortpflanzung. Die Männchen laſſen jet ihre pfeifende oder ſ<hwirrende, auf weithin hörbare Stimme öfter als je vernehmen, erheben ſi< au< wohl in die Luft und tragen, über dem Neſte faſt nah Pieperart auf und nieder fliegend, eine Art von Geſang vor, thun dies auch ſelbſt im Sitzen. Die Brutgebiete des Zwergbrachvogels liegen im höchſten Norden, die des Alpenſtrandläufers erſtre>en ſi<h von hier bis Deutſchland; das Brutgeſchäft des erſteren iſt noh nicht, das des leßteren re<t gut bekannt. Fenen ſahen wir ſelbſt in der Tundra der Samojedenhalbinſel, offenbar am Brutplagte, fanden jedoh das Neſt niht; dieſen dagegen beobachteten Naumann und andere vielfah in Schleswig- Holſtein, Oldenburg, Hannover, Weſtfalen, Dänemark 2c. Das Neſt ſteht meiſt auf ſandigen oder feuchten, ſpärlih mit Gras, Binſen, Heidekraut bewachſenen Stellen, in der Regel niht weit vom Meere, und iſt eine leine, mit wenigen Hälmchen ausgelegte Vertiefung; die 4 Eier, die man von Ende April bis Mitte Juni findet, ſind dur<ſ<hnittlih 35 mm lang, 24 mm did, freiſelförmig, dünnſchalig, glänzend und auf ſ{<musgig ölfarbenem Grunde mit vielen großen und kleinen Fle>en und Punkten von dunkel ölbrauner Färbung getüpfelt. Nur das Weibchen brütet und zeitigt die Eier binnen 16—17 Tagen, wird aber währenddem vom Männchen bewacht, wie dieſes auh an der Führung der Fungen Anteil nimmt. Lettere verlaſſen das Neſt, ſobald ſie abgetro>net ſind, wachſen unter treuer Führung ihrer Eltern raſh heran, erhalten ſchon in der erſten Woche ihres Lebens