Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4, str. 388

348 Vierte Ordnung: Edelfiſche; fünfzehnte Familie: Lachſe.

Während ſeines Auſſteigens in den Flüſſen wird der Stint oft in unglaublicher Menge gefangen und maſſenweiſe auf die Märkte gebracht, findet hier auh troß ſeines unan: genehmen, dem fauler Gurten ähnelnden Geruches willige Abnehmer, weil ſein Fleiſch einen trefflichen Geſhma> beſißt. Der Fang wird auf ſehr verſchiedene Weiſe betrieben und liefert eigentli<h immer Ertrag, weil man, dank der unendlihen Menge dieſer Fiſche, jedes engmaſchige Nez mit Erfolg verwenden kann. Bisweilen werden ſol<he Maſſen von Stinten auf einmal gefangen, daß man die ſ<hmachaften Fiſche gar niht mehr als Nahrungsmittel verwenden kann und ſie als Dünger benußen muß. Eine gute Verwendung finden außerdem Stinte dadur<h, daß man ſie als Nahrung für wertvollere Edelfiſhe in Zuchtteiche einſet. Sie gedeihen hier, wie die in England geſammelten Erfahrungen bewieſen haben, vorzüglih und werden von ihren größeren Verwandten und anderen nüßlihen Naubfiſ<hen mit Begierde gefreſſen.

An den vom Stillen Meere beſpülten Küſten Nordamerikas kommt eine Stintart vor, die in großen Mengen, häufig ſogar in unglaublichen Maſſen gefangen wird. Dieſer Stint, „Oulachan“ genannt, wird ſo außerordentlich fett, daß er niht bloß als Nahrungsmittel, ſondern auh zu Beleuchtungszwe>en, nämlich einfa ſelbſt als Licht benußt wird.

Einer der kleinſten Lachsfiſhhe, der Kapelan oder Capelin (Mallotus yvillosus und arcticus, Salmo villosus, arcticus, groenlandicus und socialis, Clupea yillosa, Osmeraus axrcticus), bewohnt das Eismeer in unermeßliher Menge und iſt für die Fiſcherei von außerordentlicher Wichtigkeit. Die Gattung der Lodden (Mallotus), die er vertritt, beſigt geſtre>te Geſtalt kleine Schuppen, ſehr große, runde Bruſtfloſſen, weit nah hinten ſtehende Rückenfloſſen und {<hwächlihe Bürſtenzähne in den Kiefern, auf dem Gaumen und auf der Zunge. Die Färbung des Rükens iſt dunkelgrün mit bräunlihem Schimmer, die der Seiten und des Bauches ſilberweiß mit vielen hwarzen Tüpfeln; die Floſſen ſind grau und haben eine ſ{<hwarze Einfaſſung. Männchen und Weibchen unterſcheiden ſi ziemlih auffallend voneinander. Erſteres iſt \{<lank, großköpfig und ſpibſhnäuzig und erhält während der Laichzeit ein längs der Seiten verlaufendes Band von dunkelgrüner Färbung, beſet mit langen, ſpißigen, alſo zottigen Oberhautgebilden. Das Weibchen iſt kürzer und ſeine Schnauze abgeſtumpft. Jn der Rückenfloſſe finden ſih 14, in der Bruſtfloſſe 19, in der Bauchfloſſe 8, in der Afterfloſſe 22, in der tief gegabelten Schwanzfloſſe 27 Strahlen. Die Länge ſhwankt zwiſchen 14 und 18 ecm.

Der Verbreitungskreis des Kapelanes liegt zwiſchen dem 64. und 75. Grade nördlicher Breite. Man kennt ihn als Bewohner der Küſte Finmarkens, Fslands und Grönlands; in wunderſamer Menge aber erſcheint ex während der Laichzeit an der Bank von Neufundland. Nach Art ſeiner Verwandten lebt er während des Winters in der Tiefe des Meeres und ſteigt erſt vom März an zu ſeichteren Stellen empor, um zu laichen. Dabei ſchart ex ſi zu ſolher Menge, daß er Züge von 50 Seemeilen Länge und Breite bildet. Die Heere drängen ſi< in geſchloſſenen Scharen in alle Buhten und Mündungen dev Flüſſe ein, färben die oberen Waſſerſchichten mit ihren gelben Eiern, die auch oft in Haufen an den Strand geworfen werden, laſſen ſih mit kurzen Hamen buchſtäblih zu Millionen aus dem Meere ſchöpfen und ſind den armen Bewohnern Grönlands kaum minder wichtig als das tägliche Brot. Jn Norwegen verachtet man den Kapelan ſeiner geringen Größe und ſeines übeln Geruches wegen gänzlich; auf Fsland ißt man ihn friſch, wenn es keine anderen Fiſche gibt; in Grönland aber tro>net man ihn an der Luft und gewinnt dadurh einen erheblichen Teil der Wintervorräte. Noh wichtiger wird der Kapelan als Köder zum Fange der Kabeljaus. Seinen Heeren ziehen niht bloß Möwen, Seeſchwalben und