Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4, str. 390
350 Vierte Ordnung: Edelfiſche; fünfzehnte Familie: Lachſe. (0) )
einzig und allein der Fortpflanzung, niht aber beſſerer Ernährung halber. Obwohl die wandernden Renken ſih unterwegs niht immer der Nahrung enthalten, im Gegenteil ihren Magen zuweilen mit Nahrungsſtoffen, insbeſondere kleinen Muſcheln, anfüllen, erliegen doch ſehr viele von ihnen dem Mangel und der Entkräftung infolge des Laichens. Die Sibirier ſ{hreiben das in manchen Jahren maſſenhafte Abſterben der Wanderfiſhe jedo<h niht den erwähnten, für ſo viele Fiſche verhängnisvollen Urſachen, ſondern dem „ESrſterben des Stromes“ zu, d. h. ſie meinen, daß das mit Eis überde>te Waſſer des Ob und einzelner ſeiner Zuflüſſe wegen der nur trägen Strömung und Überſättigung mit aufgelöſten Salzen faulig werde und dadur<h den Tod der Fiſche herbeiführe. Dieſelben Leute glauben freilih ebenſo, daß die Renken erſt dur< die Beluga (Bd. TIL S. 610), die den Zügen folgt und dabei ho<h im Strome auſſteigt, herbeigetrieben würden.
Der Zug der Fiſche fällt niht immer in dieſelbe Zeit, rihtet ſih aber jedenfalls na< der jeweiligen Wärme des Waſſers. Taut es ſehr früh im Jahre, ſo geſchieht es zuweilen, daß die Renken nicht allein unter, ſondern auh über dem Eiſe, in dem leßteres überſtrömenden Tauwaſſer, zu Berge ziehen, in ſolhem Falle jedo< meiſt elend zu Grunde gehen, wenn es wiederum gefriert. Aufmerkſame Dſtjaken wollen au< beobachtet haben, daß große Züge von Fiſchen, und zwar immer dieſelben Renkenarten, an beſtimmten Stellen maſſenhaft dur<hs Eis emporgehoben und ans Ufer geſ<hleudert worden ſeien. Fällt im Frühjahre nah dem Cisgange viel Regen, ſo verfrüht und beſchleunigt ſi der Zug mehr, als den Fiſchern lieb iſt; regnet es wenig, ſo findet das Umgekehrte ſtatt. Das Vorkommen der Beluga bezeihnet Ruſſen wie Oſtjaken den Beginn des Zuges; der Wal erſcheint in ihren Augen als Vorbote oder doh als Bürge der ankommenden Fiſche. Dahex verfolgt man ihn in keiner Weiſe, und er erkennt ſeinerſeits die ihm ſo günſtige Meinung gleihſam dankbar an, weiht einem ihm nahenden Fiſcherboote kaum aus und läßt ſi<h dur< das Treiben der Menſchen in ſeinem eignen niht ſtören. Nach Verſicherung erfahrener Fiſcher beſuchen den unteren Ob allfommerlih 5—6 Geſellſchaften unſeres Wales, jede ungefähr 40 Stück umfaſſend. Alle halten die Mitte des Hauptſtromes, wie die ſtärkſten Wanderfiſhe ebenfalls thun, wogegen die hwächeren und jüngeren Renken mehr längs der Ufer aufwärts ziehen. Jene werden aus dieſem Grunde in größerer Menge im oberen als im unteren Laufe gefangen, dieſe aber hier in ſo außerordentlicher Anzahl erbeutet, daß der Ertrag der Fiſcherei mit zunehmender Nähe des Meerbuſens ſih erheblih ſteigert. Der Rückzug beginnt im Auguſt, meiſt gegen Ende des Monats, führt die Fiſche aber niht in ſo zahlreihen und gleichartigen Heeren, wie während der Bergwanderung, ſondern in kleineren und gemiſchten Trupps zu den Winterſtätten zurü>. Fm Herbſte folgen die Jungen, die man bis dahin maſſenhaft in allen in den Strom einmündenden kleineren Flüſſen, überhaupt in ſeihtem Waſſer findet.
Alle Sibirier ruſſiſcher Abkunft betreiben den Fiſchfang, wenn niht aus\chließlih, fo doh hauptſächli<h im Sommer oder doh ſolange das Waſſer eisfrei iſt, wogegen Oſtjaken und Samojeden auh im Winter unter dem Eiſe fiſhen. Das Cis iſt jedoch in den meiſten Wintern ſo di>, daß der Fang mit Netzen gar nicht, mit Reuſen nur zeitweilig möglich wird. Erſt unmittelbar nah dem Eisgange beginnt es ſi<h am Strome zu regen. Von Tobolsk bis Obdorsk hinab rüſten ſih alle Städte und Dörfer zur Arbeit. Erſtgenannte Stadt entſendet die meiſten Fiſcher und Fiſcherbarken; aber au<h Beroſow und Obdorsk veröden beinahe, wenn die Fiſcherei ihren Anfang nimmt, da viel mehr als die Hälfte der Männer und ebenſo ein nicht unerheblicher Bruchteil der weiblichen Bevölkernng beider Ortſchaſten ihre Winterwohnungen verläßt, um anderswo Fiſchfang zu betreiben.
Von Tobolsk aus \{wimmen jeßt große, überaus plumpe und ungefüge, kaum oder nicht ſegelfähige Boote, „Barſcha“ genannt, den Strom hinab, viele von ihnen befrachtet