Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4, str. 441

Aal: Beſuchen der Felder. Fortpflanzung. Wanderungen. 401

annehmen, daß ſie hier laichen. Jhre Wanderungen finden, wie ſchon ſeit längem bekannt, im Herbſte, vom Oktober bis zum Dezember, vorzugsweiſe während ſtürmiſcher und finſterer Nächte, ſtatt. Sie ſind, wie die genaueſten Unterſuchungen ergeben haben, um dieſe Zeit für ihr Fortpflanzungsgeſhäft no<h niht vorbereitet; aber beéreits zu Ende April, ſpäteſtens im Mai, beginnt eine Rü>kwanderung in die Flüſſe, und zwar ſind es Junge von höchſtens 9 cm Länge und Wurmdike, die zu Berge gehen, höchſt wahrſcheinlih alſo die furz vorher von den im Herbſte aus8gewanderten Alten erzeugten Nachkömmlinge. Die Nichtigkeit dieſer Annahme vorausgeſeßt, würde alſo der Beweis geliefert ſein, daß die Laichzeit in die Monate Dezember bis Februar fallen muß. Ob einzelne Aale auh in Süßwaſſerſeen laichen, wie von manchem angenommen wird, oder ob wirkli alle, welche zur Fortpflanzung gelangen, in das Meer hinausziehen, wie die große Mehrzahl ſicherlih thut, ob endli<h, wie ebenfalls angenommen worden, die Laichfiſche, nachdem ſie ihrer Eier ſich entledigt, gar niht wieder in die Flüſſe zurückkehren, ſondern im Meere abſterben, muß alles einſtweilen no< dahingeſtellt bleiben.

Das Auſſteigen der jungen Aale iſt mehrfa< beobachtet worden und findet in allen größeren Strömen ſtatt. Bereits Redi erzählt, daß von Ende Januar bis Ende April alljährli<h Aalbrut den Arno hinaufwandere, und daß um das Jahr 1667 bei Piſa an einer Stelle des genannten Fluſſes innerhalb 5 Stunden 3 Millionen Pfund ſolcher Aale von 3—12 cm Länge gefangen worden ſeien. Fn den Lagunen von Comacchio werden, laut Spallanzani und Coſte, vom Februar bis April gewiſſe Schleuſen geöffnet, um den jungen Aalen den Eintritt in die abgedämmten Teiche zu geſtatten, aus denen ſie dann na fünf- bis ſe<sjährigem Aufenthalte wieder ins Meer zu gelangen ſuchen und dabei gefangen werden. Auch im Orbitello-See wandern die jungen, bindfadendi>en Aale im Frühjahre, und zwar im März, April und Mai bei ſtürmiſhem Wetter zu Millionen ein. „Jn den Monaten März und April“, ſagt Karl Vogt, „ſteigen in den Nächten Myriaden kleiner, etwa 5 cm langer, durchſichtiger Fiſchlein dur<h die Flußmündungen auf, An manchen Orten, wie z. B. in franzöſiſchen Flüſſen, wo man dieſe Erſcheinung „montée‘ nennt, bilden ſie feſte Maſſen, die man mit Sieben und Schöpfern ausſ{höp|t und meiſt mit Eiern, als Pfannkuchen geba>en, verſpeiſt. Dies ſind junge Aale, die von den Laichpläßen flußaufwärts ſteuern und nah 2 Jahren etwa 60 cm lang geworden ſind.“

Crespon beſpricht dieſe Wanderungen ebenfalls. Die jungen Aale ſammeln ſi<h an der Mündung der Rhone und ſteigen von hier aus dem Strome entgegen, eine ununterbrochene Maſſe bildend, deren Durhmeſſer dem einer ſtarken Tonne ungefähr gleichkommt. In der Regel bemerkt man an jedem Ufer einen Heerzug. Couch beobachtete, daß die jungen Aale ſelbſt Waſſerfälle überklettern, und ein gewiſſer Arderon berichtet von ſolchen, welche über die Pfähle der Waſſerwerke von Norwich und über Flußſchleuſen in höher liegendes Waſſer ſtiegen, obgleich die Bretter glatt gehobelt waren und eine ſenkrechte Höhe von etwa 2m hatten. Wenn ſie aus dem Waſſer kamen, warteten ſie einige Zeit, bis ihr Schleim die ihnen nötig dünkende Klebrigkeit hatte, dann krochen ſie an der ſenkrechten Fläche mit derſelben Leichtigkeit fort wie auf einer wagerehten. Jeſſe bemerkt, daß die Wanderung alljährlih zu derſelben Zeit geſchehe, ungefähr 2—3 Tage währe und in einem ununterbrochenen Zuge vor ſih gehe, der im Verlaufe 1 Stunde etwa 2!/2 engliſche Meilen zurü>lege. Zuweilen ſ{hwimmen die Aale, ohne daß man einen Grund abſehen kann, von einem Ufer des Fluſſes quer über das Waſſer nach der anderen Seite hinüber. An der Mündung eines Fluſſes teilen ſie ſih: ein Teil zieht in den Nebenflüſſen hinan, der andere kämpft ſi<h dur< die Strömung des Einfluſſes und wandert an dem Ufer des Hauptſtromes weiter. Auf dieſe Weiſe zerſplittert ſih das Heer nah und nach, bis es ſi<h endli<h an verſchiedenen Orten gänzlich verteilt hat.

Brehm, Tierleben. 3. Auflage. VII. 26