Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4
Verbreitung. Fortpflanzung. Benubung. 455
leerend, bald wieder füllend, lange fortfahren. Wenn viele Kaßenhaie, mit dem Fange der Heringe beſchäftigt, um die Nebe ſhwärmen, verbreitet ſih auf weithin ein deutlich wahrnehmbarer Thrangeruch; die Oberfläche des Waſſers glättet ſih und glänzt, als wäre ſie mit Öl überzogen. Gegen die dreißiger Jahre hin hatten ſie ſi< im Armelmeere derartig vermehrt, daß die Fiſcher ihrer kaum Herr werden konnten. Fm Oktober 1827 begaben ſich einige Fiſcher nach einer kleinen Sandbank, etwa 4 Seemeilen öſtlich von Haſtings und 2 Seemeilen vom Ufer gelegen, um Kabeljaus zu fangen. Es wurden von ihnen ungefähr 4000 Haken ausgelegt und dieſe etwa nah einer halben Stunde unterſucht: faſt an jedem Angelhaken hing anſtatt des erwünſchten Kabeljaues ein Kaßenhai. Ein Kabeljau hatte ſi allerdings auh gefangen; man fand von ihm aber nur no< den Kopf und einen Teil der Wirbelſäule vor: das übrige hatten die Haie gefreſſen. Von den gefangenen Fiſchen dieſer Art war keiner beſchädigt, woraus alſo hervorzugehen ſcheint, daß ein Kagenhai den anderen verſchont.
Die Fortpflanzungszeit beginnt im Herbſte, dauert aber, wie es ſcheint, während des ganzen Winters fort. Unterſucht man ältere Weibchen um dieſe Zeit, ſo findet man in den Eierſtö>en und Eileitern Eier in den verſchiedenſten Zuſtänden der Entwickelung, gewöhnlich je zwei ſih gleihend, die am weiteſten entwi>elten gegen den Ausgang der Ei: leiter. Die Eier ſelbſt, unter den Namen Seeweibs3-, Schiſfers- und Seebeutel oder Seemäuſe bekannt, ſind, wie Gesner ſagt, „ſhaliht, hart, und dur<ſcheinend als Horn, au< an der Farb, in welchem ein Feuchte geſchen wird, gleih einem Ey, ſind an der gangen Geſtalt gleih einem Hauptküſſen, an welches End lange Riemlein in ſi<h gekrümmet hangen, als Seyten oder Neſtel, ohne alle Höle“. Jhre Färbung iſt ein blaſſes, durhſceinendes Horngelb; die von den Eden au2gehenden, vielfah gewundenen, rankenartigen Anhängſel übertreffen an Länge die etwa 6 cm meſſende Kapſel; zwei Spalten an jedem Ende geſtatten Zutritt von Waſſer. Mit Beginn des Winters legt das Weibchen dieſe Eier in der Nähe der Seeküſten, wahrſcheinlih regelmäßig zwiſchen Seepflanzen ab, an deren Geranfe ſi<h die Fäden anhängen. Der Keimling iſt bereits ſo weit ausgebildet, daß man die Geſtalt des Haies erkennen und ſeine Bewegungen bemerken kann. Nachdem er ſih vollends entwid>elt hat, zerreißt er die Eihüllen und verläßt die Kapſel mit einem ihm no< anhängenden Dotterſace, der durch ein Gefäß mit dem Darmſchlauche in Verbindung ſteht und zur weiteren Ernährung dient. Fnzwiſchen bilden ſich die Zähne aus, und wenn die in jenem Sade enthaltene Flüſſigkeit aufgezehrt worden iſt, iſt der Hai fähig, zu rauben. Einzelne Beobachter ſagen, daß ein Weibchen auf jeden Wurf 10—20 Eier zur Welt bringe; andere geben die Zahl geringer an; alle kommen darin überein, daß ſie dieſer Art eine verhältni8mäßig große Fruchtbarkeit zuſchreiben. Die Geſchlechter ſollen ſi<h im Laufe des Jahres wiederholt begatten und die Männchen mit ihren nahe dem After ſtehenden Anhängſeln ſi<h an den Weibchen feſthalten.
„Die Kaßtenhaie“/, ſagt Günther, „werden kaum jemals zu Markte gebra<ht, doh verſhmähen es die Fiſcher einiger Gegenden nict, ſie zu eſſen. Jhr Fleiſch iſt auffallend weiß, ein wenig faſerig und tro>en. Auf den Orkney-JFnſeln werden ſie abgehäutet, aufgeſ<lißt, ausgeweidet und dann zum Tro>nen auf den Felſen ausgebreitet, um ſpäter für den häuslichen Tiſch verwendet zu werden.“ Die Haut wird hauptſächlich zum Glätten hölzerner oder eiſerner Gerätſchaften benußt. Die Leber gibt trefflihen Thran. Nach Verſicherung der Fiſcher ſoll der Genuß der thranigen Leber zuweilen ſchädliche Folgen haben; dieſe Angabe wird auh dur< die Behauptung des franzöſiſhen Arztes Sauvage unterſtüßt. Nachdem vier Perſonen von der Leber eines Kaßenhaies gegeſſen hatten, befiel ſie, und zwar in weniger als einer halben Stunde, Shwäche und Schlafſucht, wovon ſie ſih erſt am dritten Tage inſoweit wieder erholten, daß ſie ſih ihres Zuſtandes bewußt