Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4
Rochen: Lebensweiſe. Fang. Gefangenleben. 469
Hier und da verachtet man das Fleiſh der Rochen gänzlich; in anderen Gegenden erklärt man es für {<ma>haft. Fn London werden alljährlich viele hunderttauſend Rochen verbrauht und von Liebhabern geſucht; im Norden Englands benußt man das Fleiſch bloß zum Fange der Garneelen und anderer Krebſe. Übrigens will man auch in London nur während des Herbſtes und Winters Rochen eſſen, weil im Frühlinge oder Sommer, während oder nah der Laichzeit, das Fleiſch für ungenießbar gilt.
Zum Fange bedient man ſi< vorzugsweiſe der Grundangel, die mit Krebſen, Weichtieren und Fiſchen geködert wird. Gerade der Dornroche wird in dieſer Weiſe zu vielen Tauſenden erbeutet, ſein Fleiſh eingeſalzen und als Wintervorrat aufbewahrt.
Gefangene Rochen zählen zu den anziechendſten Fiſchen, die man in einem engeren Beden halten kann. Sie gewöhnen ſi< nicht leicht ein, gehen niht immer ans Futter und verhungern dann elendiglih, dauern aber, wenn ſie Nahrung annehmen, jahrelang im beſten Wohlſein aus und ſind dann ſehr unterhaltend, weil ſie Beobahtungen über ihre Lebensweiſe geſtatten, die man ſonſt niht anzuſtellen vermag. Abweichend von anderen Bodenfiſchen liegen ſie mit dem Vorderteile ihres Leibes niemals feſt auf, ſondern ſtügen ſih ſo auf ihre Bruſtfloſſen, daß in der Mitte ein Hohlraum bleibt. Um die Kiemen mit Waſſer zu verſorgen, öffnen ſie ihre Atemlöcher, indem ſie den Kolben zurücßziehen, füllen die Kiemenſä>ke, ſchließen die Atemlöcher und treiben das verbrauhte Waſſer durch die Kiemenſpalten na< außen. Während der Vor- und Nachmittagsſtunden verweilen ſie in dieſer Lage, den Leib zum Teile, die Bruſtfloſſen ſtets mit Sand oder Kies bede>t, ohne ſich durch das Treiben um ſie her im geringſten behelligen zu laſſen, geſtatten auh anderen, ſelbſt größeren Seetieren anſtandslos, ſih auf ihrem breiten Rücken umherzutummeln. Mit Eintritt der Dämmerung ermuntern ſie ſi< und ſind nunmehr während der ganzen Nacht in Thätigkeit. Einmal rege geworden, ſ{hwimmen ſie diht über dem Boden dahin, ſo daß ſie mit den Floſſen den Grund berühren, und erwerben ſi in dieſer Weiſe ihre tahrung. Fhre Unterſeite iſt ebenſo empfindlich, wie ihre Oberſeite unempfängli<h, und dient ihnen als weit reihender Taſter. Streifen ſie mit ihr eine Beute, ſo drehen ſie ſih augenbli>li< nach ihr hin, überde>en das aufgefundene Tier oder den ihnen zugeworfenen Biſſen, pa>en ihn mit dem Maule und ſchlingen ihn unter lebhaften Kaubewegungen hinab. So ſuchen ſie den Grund des Ve>ens allſeitig ab, durchſtreifen alſo auh im Freien in der geſchilderten Weiſe weite Stre>en des Meerbodens. Nachdem ſie ſi geſättigt haben, erheben ſie ſich in höhere Waſſerſchichten und treiben hier Shwimmkünſte abſonderlicher Art. So ungefüge ſie ausſehen, ſo leiht und zierlih dur<hſ<hwimmen ſie das Waſſer. Die Fortbewegung geſchieht dur< wellenförmige Schläge beider Bruſtfloſſen, derart, daß die Welle am Vorderteile beginnt und nach hinten fortläuft. Der lange Schwanz dient hierbei, obgleih er wenig benußt wird, als Steuer. Erklärlicherweiſe iſt es den Rochen vollkommen gleichgültig, ob ſie in wagerehter oder ſenkrechter Nichtung ſ{<hwimmen; in erſterem Falle ſchweben ſie dur< die Wellen wie Raubvögel dur die Luft, in leßterem erſcheinen ihre Bewegungen als tanzende, um ſo mehr, als ſie ſi häufig darin gefallen, bis zur Oberfläche aufzuſteigen, ſih dort zu erhalten und im Wechſelſpiele auf und nieder zu tauchen, ſo daß zeitweilig die Shnauzenſpize über dem Waſſer ſichtbar wird. Unter ſi halten ſie gute Gemeinſchaft. Einer ſtreiht über den anderen hinweg, lagert ſih auch wohl zum Teile auf ihn, ohne daß er ihn zur Abwehr reizt. Futterneid iſt durch die Art und Weiſe des Nahrungserwerbes ausgeſ<loſſen und ſomit in der That kaum Grund zu Unfrieden und Streit vorhanden.