Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 5, str. 778
698 Zweite Ordnung: Webſpinnen; erſte Familie: Vogelſpinnen.
wahrgenommen, nicht aber, daß das Männchen mit ſeinen Taſterſpißen nah der Wurzel ſeines Bauches faſſe, um ſie von dort mit Samenflüſſigkeit zu verſorgen. Darum ſtellte man die Anſicht auf, daß ſi<h an lezterer Stelle gar kein Ausgang fände, vielmehr die wenig gewundenen Samenſchläuche im Bauche innerli<h mit den Kiefertaſterſpißen in Verbindung ſtänden. Fndes verhält ſi<h die Sache doh anders, und die männliche Geſ<le<tsöffnung fehlt an der Bauhwurzel nicht.
Man kennt zur Zeit einige tauſend Spinnen, welche über die ganze Erde verbreitet ſind und in einzelnen Arten (Lycosa blanda, Melanophora blanda und anderen) bis gegen 3125 m hoh über dem Meere vorkommen, trozdem aber in den heißen Erdſtrichen ſih wohler befinden als in den kälteren, wie die Mannigfaltigkeit an zum Teil großen und ſ{hönen Spinnen in den wärmeren Ländern beweiſt. Entſchieden erreiht die Zahl der bekannten und benannten Arten bei weitem no<h nicht die der in Wirklichkeit lebenden, und die verſchiedenen Zeitſchriften bringen in neuerer Zeit wieder neue Arten, ſeitdem ſich die Liebhaber dieſer intereſſanten Geſchöpfe gemehrt haben. Auch ſind die Überreſte ausgeſtorbener Spinnen im Bernſtein niht unbedeutend.
Die größten aller Spinnen, welche im Leibe bis 5 cm und darüber meſſen, wenn ſe ihre diden, dicht behaarten Beine ausſtre>en aber einen Längenraum von 18 cm ausfüllen, leben nur in den heißen Ländern beider Erdhälften, ſind unter den Namen der Vogel-, Buſch- oder Würgſpinnen (My gale) bekannt und übel berüchtigt, weil ihnen Frau Merian, Paliſot de Beauvois und andere das Würgen und Auffreſſen kleiner Vögel, wie Kolibris, nahſagten. Andere Forſcher haben dieſe niht wegzuleugnende Thatſache in Abrede geſtellt. Bates lernte eine dieſer Spinnen, von welcher er unentſchieden läßt, ob es die gemeine Vogelſpinne oder eine andere von den zahlreichen, einander ſehr ähnlichen Mygale-Arten geweſen ſei, bei der in Frage geſtellten Beſchäftigung näher kennen. Über einer tiefen Spalte eines di>en Baumſtammes war ein feſtes, weißes Gewebe ausgeſpannt, in deſſen zerriſſenem unteren Teile zwei kleine Vögel (Finken) hingen. Der eine war ſchon tot, der andere, unter dem Körper der Spinne unmittelbar unterhalb der Baumſpalte gelegene, dem Verenden nahe. Nachdem Bates jene verjagt hatte, fand er das bald in ſeinen Händen ſterbende Vögelchen mit einer ſ{<hmutigen Flüſſigkeit wie mit Speichel bede>t, „den das Ungeheuer aus\hwißt“. Nach dieſer Mitteilung und einem unvollfommenen Holzſchnitt iſt unſere farbige Abbildung: „Gemeine Vogelſpinne“, angefertigt, die Spinne jedo< nah einem natürlichen, in Weingeiſt aufbewahrten Exemplar der genannten Art (M y gale avicularia) gezeihnet worden. Bates bemerkt ausdrüdli<h, daß ſeine Beobachtung für die Bewohner Amazoniens, welche dergleichen dort gar niht feltene Spinnen Aranhas caranguexeiras (Krebsſpinnen) nennen, neu geweſen ſei. Daß es nicht in der Natur vieler Vogelſpinnen liegen könne, ſi<h von Vögeln zu ernähren, geht aus dem Aufenthalt derſelben hervor, welcher ſie ſhwerlih mit jenen Luftbewohnern in engere Berührung kommen läßt; denn die wenigſten Arten leben auf Bäumen und Buſchwerk, ſondern in Mauexrlöchern,, in den Dächern der Häuſer, an deren Wänden man ſie bisweilen zu ſehen bekommt, unter Steinen oder in unterirdiſchen Gängen. Fn leßterer Beziehung zeichnet ſich eine ſtarke, braune Art, die Mygale Blondii, welche an den gelben Streifen der Beine leicht erkenntlih iſt und in Südamerika lebt, ganz beſonders aus, indem ſie ihre ſchief abwärts gehende, ungefähr 63 cm lange Galerie mit ſeidenen Tapeten auswebt und ſi gegen Abend am Eingang derſelben auf die Lauer legt. Erſchre>t weicht ſie beim Herannahen ſ{<werer Fußtritte in das Junnere ihres Ganges zurü>. Auch in Südafrika ſcheinen die unter Steinen wohnenden Würgſpinnen die Buſchbewohner an Menge zu übertreffen. Mit großer Behendigkeit und ſpringend ſuchen ſie den Nachſtellungen