Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 5, str. 794

ald, Zweite Ordnung: Webſpinnen; vierte Familie: Sa>ſpinnen.

„Einſchlag“, und das in der Mitte etwas eingeſenkte Fangnet iſt fertig, aber der ganze Vau noch niht vollendet. Für ſich ſelbſt webt ſie nun no< hinten im Winkel ein beiderſeits offenes Rohr, an welchem wie an einem kurzen Stiele der zuerſt angelegte dreie>ige Zipfel ſigt. Da ſie am liebſten ſolche Stellen wählt, wo Löcher und Riſſe in der Mauer vorkommen, ſo mündet das Rohr in eine ſolche Vertiefung, in welche ſich die Spinne bei herannahender Gefahr zurüdzieht. Vorn in dieſer Röhre lauert ſie auf die Beute, ergreift ſofort die ins Neb geratene Fliege oder Mücke, ſchleppt ſie mit ih und verzehrt ſie gemächli< in ihrem Hinterhalt.

Es wurde bereits oben bemerkt, daß jede Spinne mit ihrem Spinnſtoff ſparſam ſein müſſe, weil ſeine Erzeugung von ihrer Ernährung abhängt und eine verhungerte weniger beſibt als eine feiſte, wohlgenährte; darum wird ſie alſo auh niht arbeiten, wenn Sturm und Regen ihre Arbeit ſofort wieder zerſtören könnten und unnüß erſcheinen ließen. Hieraus folgt weiter, daß ihr die Natur ein feines Vorgefühl für das Wetter verliehen haben müſſe. Daher hat man die Spinnen als Wetterpropheten bezeihnet und nah ihrer Thätigkeit oder Ruhe, ihrem Hervorkommen oder Zurückziehen und ihrer Stellung im Neſte überhaupt, nah der größeren oder geringeren Menge der Grundfäden bei Anlage desſelben, nah dem Baue neuer oder der Vergrößerung ſchon fertiger Gewebe und dergleichen beſondere Regeln für die mutmaßliche Witterung aufgeſtellt. Jedenfalls ſind die Spinnen gegen Änderung im Gleichgewicht der Luft, gegen Änderungen in den Strömungen derſelben empfindlich und zeigen dieſen Wechſel, mit welchem ſi<h ſehr häufig au<h das Wetter ändert, auf 6—8 Stunden vor dem wirklichen Eintritt an. Vorzugsweiſe haben ſi< die angeſtellten Beobachtungen auf die Kreuzſpinne und die eben beſprohene Art bezogen. Zerreißt die Kreuzſpinne die Grundfäden ihres Rades nach einer beſtimmten Nichtung hin und verbirgt ſih dann, kriechen die Hausſpinnen oder Trichterſpinnen 2c. tief in ihre Röhre und drehen die Hinterleibsſpißze nah einer beſtimmten Seite: dann iſt auf bald eintretenden heftigen Wind aus jener Gegend zu re<hnen. Befeſtigt erſtere aber die Fäden des Rahmens wieder und nimmt eine wartende Stellung ein, kommen lettere mit vorwärts gerichtetem Kopfende zum Eingang der Nöhre und ſtre>en die Beine, wie zum Fange gerüſtet, daraus hervor: ſo kann man die Rückkehr des Ruheſtandes in der Atmoſphäre annehmen. Von mancher Seite war den Spinnen eine zu übertriebene Prophetengabe beigelegt worden, weshalb man ſie ihnen von anderer Seite gänzlih abſprah. Da geſchah es im Fahre 1794, daß ſih ihr alter Ruhm, der ſchon verloren zu gehen ſchien, dur< folgenden Vorfall von neuem befeſtigte. Der Führer der franzöſiſhen Revolutionsarmee, Pichegru, war der Überzeugung, daß gegen das unter Waſſer geſezte Holland nihts auszurihten ſei, und bereits im Begriſe, unverrichteter Sache umzukehren. Jn dieſer bedenklichen Lage ließ ihm der von den Holländern gefangen gehaltene Generaladjutant Quatremère d'Fsjonval aus dem Gefängnis zu Utrecht die Nachricht zukommen, daß die Spinnen ihm eine binnen 10 Tagen ſicher eintretende Kälte prophezeiten. Pichegru harrte aus, die Kälte trat ein, und unaufhaltſam drang die Armee auf dem Eiſe nah Amſterdam vor. Dev befreite Verkündiger der wichtigen Kundgebungen ſeitens der Spinnen aber wurde im Triumph nah Paris geführt.

Entſchieden war es eine Hausſpinne oder eine ihr verwandte Art, welche der unglü>liche Chriſtian TT. von Dänemark im Kerker zähmte, wie ſie umgekehrt niht wenig dazu beitrug, die Leidenſchaften des Tyrannen zu zügeln. Sie kannte ſeine Stimme und kam ſtets herbei, wenn ex ſie lo>te und etwas für ſie hatte. Wer iſt nun wohl verabſcheuungswürdiger, dieſe Spinne, welche einem Unglüklichen no< einiges Vergnügen bereiten kann, oder der Kerkermeiſter, von welhem berichtet wird, daß er ſie getötet habe, nachdem er ihre Freundſchaft mit dem Gefangenen entde>t hatte? Als der König alt und ſ{<hwa<h geworden war und nichts mehr als den Tod wünſchte, behandelte man ihn ſchonender. Oft