Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6, str. 267
Tubulipora. Löffeltier. 997
Die Syſtematiker haben ſih veranlaßt geſehen, den, wie oben geſchildert, beſchaffenen Moostieren no< einige Gattungen anzureihen, deren am meiſten in die Augen fallendes Merkmal ſei, daß die Afteröffnung innerhalb des Fühlerkranzes liege, und die Endoprocta benannt wurden. Bei jenen anderen nämlich befindet ſih, wie wir ſahen, die Mündung des Darmes unter der Fühlerkrone, es ſind Ectoprocta. F< wähle gerade das bisher am wenigſten bekannte Tier, das man zu dieſer Gruppe gezogen, da ih mich eingehender mit ihm beſchäftigt habe.
Es handelt ſi<h um die Gattung Loxos0oma, wofür i< den Namen Löffeltier vorſ<lagen möchte, da die Geſtalt niht nur des abgebildeten Loxosoma cochlear, ſondern auch der meiſten anderen Arten, von der Seite geſehen, ganz auffallend einem Schöpflöffel gleicht, zumal wenn die Tentakeln eingeſchlagen ſind. Fhr Körper beſteht aus Rumpf und Stiel. Der vordere Teil des Rumpfes trägt einen Kranz von 8—12 mit einer Doppelreihe langer Wimpern verſehener Fühler. Die Mundöffnung iſt am unteren Rande der Fühlerſcheibe, die Darmöffnung etwas oberhalb der Mitte derſelben. Der ſtämmige, mit Muskeln wohl ausgeſtattete Stiel heftet ſih vermittelſt ſeines fußförmigen und ſaugnapfartigen Endes an den ſelbſtgewählten Standort des Tieres an, unterſtützt durch die wahrſcheinlih klebrige Abſonderung einer großen Fußdrüſe. Das ganze Tier iſt ziemli<h durchſichtig und führt ein ſehr beſcheidenes und verſte>tes Daſein im Meere, beſonders in den Höhlungen von Hornſhwämmen verborgen.
Obwohl zu langſamer Ortsbewegung befähigt, ſcheinen ſih dieſe Weſen wenig oder gar nicht von dem einmal eingenommenen Plage zu entfernen; und ſie finden ihre Nahrung, indem ihnen die ununterbrochene, auf der Organiſation der Shwämme beruhende Waſſerſtrömung in den von ihnen bewohnten Höhlungen fortwährend mikroſkopiſhe Nahrung zuſtrudelt. Dieſelbe wird durch die langen Wimpern der Fühler und eine wimpernde Rinne im Umkreiſe der Fühlerſcheibe zum Munde des Löffeltieres geleitet.
Sehr merkwürdig iſt ſeine Fortpflanzung. Unſer Bild (S. 226) zeigt zwei ſeitlihe Knoſpen an dem Muttertier. Die jungen Tiere erreichen {nell und ohne Umſchweife einer Verwandlung die Geſtalt des hermaphroditiſhen Muttertieres, können ſogar, noh mit ihm zuſammenhängend, ſelbſtändig Nahrung zu ſi<h nehmen und fallen nach exlangter völliger Reife ab, um neben ihrer Erzeugerin ſih zu fixieren. Aber die Vermehrung beſchränkt ſih nicht hierauf. Zeitweiſe, aber ohne daß die geſchilderte Fortpflanzung dur Seitenſprößlinge unterbrochen wird, treten aus dem Eierſto> befruchtete Eier nah oben gegen die Fühlerſcheibe hin und entwideln ſi<h zu Weſen, die gar keine Ähnlichkeit mit einem Loxosoma haben. Es ſind Larven, welche eine weite Metamorphoſe dur<hmachen müſſen, nachdem ſie auf der Stufe, die wir abgebildet haben, die Kopfſcheibe der Mutter durhbrochen hatten. Der Leib iſt flach, faſt ſchildförmig, von einem wimpernden Nandwulſt eingefaßt.
Zweite Klaſſe. Die Armfüßer (Brachiopoda).
Über den deutſhen Namen dieſer Tiertlaſſe waltet das in der Naturgeſchichte leider nicht ſeltene Verhängnis, daß er, ſofern er eine charakteriſtiſche Eigentümlichkeit der Tiergruppe, welcher er gegeben, bezeihnen ſoll, gänzlih falſ< iſt. Man ging einſt von der Vorausſeßung aus, daß man es hier mit Weichtieren zu thun habe, und da man dort eine
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