Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6, str. 279

Die WNankelliere (Tunicaka).

Wir haben uns ſhon wiederholt auf einen der reichlicher verſehenen Fiſhmärkte der italieniſhen und franzöſiſhen Küſtenſtädte begeben, um die erſte vorläufige Bekanntſchaft mit gew ſſen Seetieren zu machen, welche den Bewohner der Binnenländer dur<h Form und Ausſehen überraſchen. Jh lade nohmals zu einem ſolchen Gange ein Wir haben die Haufen der bunten, koſtbareren Fiſche, der den ärmeren Klaſſen überlaſſenen Haie und Nochen ſowie der unſer Auge mehr als unſere Zunge reizenden Sepien und Calmars Revue paſſieren laſſen und ſind an die Reihe der mit Shne>en und Muſcheln gefüllten Körbe getreten. Wenn auh niht nah Gattung und Art, ſind uns dieſe Tiere doh im allgemeinen wohl bekannt. Da aber, mitten darunter, finden wir ein Gefäß voll bräunlicher und unregelmäßiger Knollen, voller Runzeln und Höcker, {mußig und mit allerhand Anſiedlern bede>t, zu deren Kauf wir ebenſo eindringlih eingeladen werden wie vorher zu dem der le>eren Muränen und Branzine. Es iſt vollkommen unmöglich, dieſen Körpern anzuſehen, ob ſie pflanzliche oder tieriſche Gebilde ſind; ſie fühlen ſih an wie hartes, ausgedörrtes Leder, ſie bewegen ſi< niht. Doch, indem wir einen derſelben derb anfaſſen, ſprißt uns ein feiner Waſſerſtrahl ins Geſicht, und wir entde>en auf der unappetitlichen Oberfläche eine etwas hellere Stelle (a, \. Abbild. S 240) mit faſt kreuzförmigem, feinem Sqhliße, aus welhem wir dur< Dru> no< mehr Waſſer entleeren können. Ein Manu aus dem Volke, der ein Dußend der rätſelhaften Knollen für geringe Kupfermünze erſteht, fommt unſerer Wißbegierde weiter zu Hilfe; er ſpaltet mit ſharfem Meſſer ein Stück und zeigt uns einen ſ{hön gelblihen Sa>, der mit der groben, di>en Hülle nur an jener Stelle, aus welcher der Waſſerſtrahl hervortrat, und an einer zweiten ähnlichen (Þ) in engerem Zuſammenhange iſt. Dieſen gelben Sa ißt unſer neuer Freund mit dem größten Appetit, während ex uns uneigennüßig die lederzähe Schale zum weiteren wiſſenſchaftlihen Gebrauche überläßt.

Wir haben hiermit die cberflähliche Bekanntſchaft mit einem Manteltier gemacht, und es bedarf faum no< der ausdrüdlichen Verſicherung, daß eben jene undur<ſihtige lederartige Hülle der Mantel, und zwar der äußere Mantel war, während die übrigen Organe des Tieres von einer zweiten, feineren Hülle umſchloſſen ſind, welche leßtere mit zwei Zipfeln an der erſten aufgehangen iſt. Der Name dieſes und der 1hm ähnlichen Tiere wird daher feiner weiteren Nechtfertigung bedürfen. Wir könnten nun an dieſem Sa>tiere, welches von dem Umſtande, daß es in der Regel eine ganze Welt von kleinen pflanzlihen und tieriſchen Anſiedlern auf ſi< trägt, den Beinamen „„Microcosmus“ erhielt, ſogleih unſere weiteren Detailſtudien anſtellen, ich rate jedoch, erſt noh einige prafktiſhe Erfahrungen über andere Formen der Gruppe zu ſammeln, um einiges Material zur Vergleichung zu haben.