Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6
18 Krebſe. Allgemeines.
erwähnt, daß ein Hüpferling (Cyclops tenuicornis), wenn er mit Larven eines Eingeweidewurmes (eines Dietomum) beſeßt iſt, zeitlebens einen embryonalen Charakter behält.
Als eine beſondere Art des Wachstums erſcheint das Regenerationsvermögen, und mit dieſer geht Hand in Hand die Fähigkeit, Gliedmaßen, wie man ſih ausdrü>t „freiwillig“ abzuwerfen, die Selbſtverſtümmelung oder Autotomie. Mit welcher Leichtigkeit Krebſe oder Krabben, wenn man ſie derb pa>t, ein Bein oder gar eine Schere fahren laſſen, iſt bekannt. Feder Sammler von Krebſen weiß, daß namentlich die Galatheen und Porcellanen mit äußerſter Vorſicht behandelt werden müſſen, wenn ſie niht in der Hand des Fängers ſih mehrerer oder auch aller Beine entledigen ſollen. Eine e<te Krabbe (Xantho), welche Carrington auf einen mit Alkohol angefeuchteten Lappen legte, warf ſofort alle ihre zehn Beine ab. Ob der Vorgang wirklich auf ſogenanntem „freiem Willen“ infolge von Bosheit oder Furht und Schre>ken beruht / oder auf einem Krampf, wie das Ausſpeien der Eingeweide bei den Holothurien, iſt {wer zu ſagen. Doch dürſte das lettere der Fall ſein, wie denn wohl auh ein Krampf das Bein nahe am Leibe abbricht, wenn das äußerſte Glied beſhädigt worden iſt. Die Krabben- und Hummerfiſcher behaupten allerdings, daß das Tier, an einem Beine gepa>t, dieſes abwerſe, um zu entkommen. Namentlich ſollen auh die Hummern bei Gewitter und Kanonendonner aus S<hre> ihre Beine verlieren. Das ſind eben Fiſchergeſchichten. Die zuverläſſigſten und neueſten Beobachtungen über dieſes mertwürdige Faktum ſind von Frédericq und Dewig. Quer um das erſte freie Glied aller zehn Beine der Zehnfüßer (das Baſalglied) verläuft eine Naht, in der zwei aufeinander folgende urſprünglich getrennte Teile dieſes Gliedes ſich vereinigen. Hier und nur hier erfolgt die Ruptur, welche jedenfalls auf einen plößlichen Krampf zurückzuführen iſt. Fſt das Bein abgeworfen, ſo erfolgt keine Blutung, was aber wohl und zwar mit tödlichem Aus gang der Fall iſt, wenn man ein Bein an anderer Stelle quer dur<hſhneidet. Durch die Kontraktion der Muskeln an jener Stelle wird gewiſſermaßen ein Pfropfen auf der Öffnung gebildet, und die Wunde verharſht, bevor ein Blutverluſt eintritt. Schneidet man einer Krabbe oder einem Krebſe das Bein an einer anderen Stelle vor der Naht dur, ſo wirft er es doh an dieſer ab und \<hließt ſo und unter Bildung eines Häutchens den Kanal, aus welchem ſein Lebensſaft abfließen könnte. Die Fühler wirft kein Krebs freiwillig ab. Übrigens ſind die zehnfüßigen Kruſtaceen durhaus nicht die einzigen, welche ſih ihrer Beine entäußern, gelegentlih kann man es auh bei Aſſeln und Geſpenſtkrebſen (Caprellidae) beobachten. Nah Beobachtungen Varignys ſind eben gehäutete und erſhöpfte Tiere zur Selbſtamputation unfähig. Wahrſcheinlich iſt bei der erſten der Panzer zu nachgiebig, bei der zweiten die Muskelkraft zu gering.
Daß nun der Krebs im ſtande iſt, ein ſolches verlorenes Glied wieder zu erſeßen, iſt eine bekannte Sache. „Es wächſt wieder na<h“/ ſagt das Volk ganz richtig. An der Stelle der Selbſtamputation wächſt eine Art kegelförmiger Knoſpe hervor und nimmt allmählich die Geſtalt des abgeworfenen Teiles an. „Bei der nächſten Häutung wird das bede>ende Häutchen ſamt dem übrigen Außenſkelett abgeworfen, und nun ſtre>t die rudimentäre Gliedmaße ſih und erlangt, obwohl ſie noch ſehr klein iſt, die ganze der betreffenden Gliedmaße zukommende Organiſation. Bei jeder Häutung wächſt ſie; aber erſt nach langer Zeit erreicht ſie annähernd die Größe wie ihr undeſchädigtes älteres Gegenſtü>®. Daher kommt es, daß man nicht ſelten Krebſe mit Scherenfüßen und anderen Gliedmaßen findet, die troß vollkommen gleiher Brauchbarkeit und anatomiſhem Bau ſehr ungleich groß ſind.“ (Huxley.) Jn gewiſſen Gegenden Spaniens ſoll man, dort Boccaca genannte Krebſe ihrer Scheren des Verſpeiſens halber berauben, ſie darauf lebend ins Waſſer zurü>verſeßen, wo die Schere wieder nahwächſt, ein Vorgang, der einigermaßen an den Braten des Shweines Saehrimnix an der Tafel der nordiſhen Götter und Helden in Walhalla erinnert.