Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6, str. 595
Die Hohl- oder Hackkiere (Coelenterata).
„Nicht jedem blüht das Glü>, Korinth zu ſehen“, hieß es im Altertum, um den zu tröſten, der mit beſcheideneren Anſprüchen es ſih im Kreiſe Éleinerer Anſchauungen genügen laſſen ſollte. Nur Auserwählte dürfen ſih an der lieblichen Pracht jener ſüdlichen Eilande weiden, welche ihr Daſein und ihre gegenwärtige Geſtalt der vieltauſendjährigen Lebensthätigkeit der Korallentierhen verdanken, dürfen innerhalb der Lagune den wißbegierigen Blik auf die in Farben glühende Tierwelt ſenken. Solche korinthiſche Üppigfeit bieten unſere europäiſchen Meere nicht, aber doh haben dich vielleicht ſhon auf ſtiller Meerfahrt jene ſhwankenden, mit Guirlanden und langen Franſen behangenen Glo>en entzüdt, deren Körper wie zart violett, rötlich oder gelblich gefärbte Glasgebilde ausſehen. Wie unſer Boot an ihnen vorübertreibt, blähen ſie ſih abwechſelnd auf und ziehen den GloŒen- oder Scheibenrand zuſammen, um dur dieſe Stöße ſih nahe an der Oberfläche zu halten. Bei längerem Aufenthalt in Seebädern hat auh wohl jeder Gaſt noch intimere und zwar unliebſame Bekanntſchaft mit dieſen Quallen gemacht, die als Farben-Sirenen zur Berührung verlo>ten und dieſelbe mit dem empfindlichſten Neſſeln vergalten. Die vielen Tauſende unſerer Leſer aber, welhe niht in vollen Zügen die Eindrücke des offenen Seeſtrandes in ſi< aufnehmen, aber do< ein Miniaturbild durch Vermittelung eines Aquariums genießen konnten, lernten als die größte Zierde dieſer mühſam und ſ{hwierig zu unterhaltenden Seewaſſerkäfige die Seeroſen oder Seeanemonen, die Aktinien kennen, welhe Polypen ſind, gleih den Erbauern der Riffe, Strahltiere gleih den Quallen, und mit ihnen und vielen anderen gleih und ähnlih gebauten Formen den Kreis der Cölenteraten bilden.
Als Cölenteraten unterſchied R. Leu>art von den Stachelhäutern ſolche Tiere mit ſtrahligem Bau, deren dem Darmkanal der anderen Tiere entſprechende innere Höhlung niht in ſih abgeſchloſſen ſei, ſondern in offener Verbindung mit denjenigen Räumen ſteht, welche der Leibeshöhle der Wirbeltiere, Fnſekten 2c. entſprächen.
Die Entwickelungsgeſchihte hat uns belehrt, daß das Höhlenſyſtem des Cölenteratenförpers, welches man der Leibeshöhle vergleicht, wie wir unten an einem Polypen zeigen werden, aus nichts anderem beſteht, als den regelmäßigen ſtrahligen Ausſa>ungen des furzen Darmes und gleich dieſem aus dem ſogenannten Urdarm der Larve hervorgeht. Das Reſultat dieſer embryonalen und larvalen Entwikelung iſt allerdings ein in der ganzen übrigen Tierwelt niht wieder vorkommendes, eine Verqui>kung des Verdauungs-, Blutgefäß- und Atmungsapparates, wofür wir höchſtens bei den Weichtieren in der unmittel: baren Waſſeraufnahme in das Blutgefäßſyſtem eine Hinweiſung finden. War bei den Stachelhäutern Fünf die Grundzahl der Strahlen, ſo ſteht hier die ſtrahlige Einteilung