Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6
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Ehrenbergs Entde>ungen. 669
Mitte des vorigen Jahrhunderts. Auch die Anſichten anderer berühmter Naturforſcher jener Zeit ſind den Buffonſchen verwandt. Wrisberg in Göttingen wäre zu nennen, und auch der ſonſt ſo nüchterne däniſche Zoolog O. Fr. Müller betrat das gefährliche Feld der Vermutungen, wo die Beobachtungen aufhörten, und war der Anſicht, daß Pflanzen und Tiere in mikroſkopiſh kleine lebende Bläschen ſih auflöſten, verſchieden an Stoff und Bau von den wahren Jnfuſorien, und daß aus dieſen lebendigen Bläschen alles höhere Leben ſih wieder geſtalte.
Der bedeutende Fortſchritt Müllers liegt darin, daß Buffon die Exiſtenz einer eigentlichen Tierklaſſe der Jnfuſorien gar niht erkannt hatte, während Müller die wahren Tiere wohl unterſchied von den zu ſeiner Theorie des organiſchen Lebens gehörigen Urbläschen. Der durch ſeine mikroſkopiſchen Leiſtungen bekannte Freiherr von Gleichen ruft darüber aus: „Eine wahrſcheinlihere Hypotheſe wird der menſhlihe Wiß wohl \{<werli<h ausdenken können.“
Von den älteren Forſchern, welhe mit Buffons geiſtreichen Phantaſien ſih nicht befreundeten, verdient vor allen der berühmte Spallanzani genannt zu werden. Er trat 1768 wiſſenſchaftlih gründlih dagegen auf, daß aus den zur Fnfuſion verwendeten Stoffen ſelbſt, ſeien es nun organiſche oder unorganiſche, die lebenden Weſen ſi< elternlos entwi>eln ſollten. Als entſchiedener Gegner dieſer Urzeugung, der ſogenannten generatio spontanea oder aequivoca, behauptete er, daß Tier- und Pflanzenkeime durch die Luft, die man von den Gefäßen wohl nie völlig abſperren könne, in die Fnfuſion eingeführt würden; und wenn auch die Entwi>kelung der von den ſhon beſtehenden Arten der Jnfuſionstierchen herrührenden Keime mitunter durch die in den Aufgüſſen enthaltenen Tier: und Pflanzenſtoffe begünſtigt würde, ſeien dieſe doh durchaus niht unumgänglich nötig, wie das auh in reinem Waſſer ſih mit der Zeit zeigende reiche Leben beweiſe.
Wir wollen nict die Fortſchritte ins einzelne verfolgen, welche die Fnfuſorienkenntnis bis dahin erfuhr, als Ehrenberg in dieſen noh ſo dunkeln und rätſelvollen Teil der Naturgeſchichte Licht brachte. „Jh gewann“, ſagt er, „ſhon im Fahre 1819 den direkten, bisher niht vorhandenen Beweis des Keimens der einzelnen Pilz- und Schimmelſamen, wodurch die Entſtehung dieſer Pflänzchen aus generatio spontanea wegen der vorhandenen Menge der Samen ſehr beſchränkt und unnötig erſhien, Münchhauſens von Linné als unſterblich geprieſene Entde>ung aber, daß dieſe Samen Fnfuſorien oder Luftpolypen wären, als unrichtig zuerſt ſtreng bewieſen war.“ Um über die Fnfuſionstiere zu einer ähnlichen Gewißheit wie über die Schimmel- und Pilzbildungen zu gelangen, ſtellte ex lange Reihen von Verſuchen an. Das Reſultat faßt er ſo zuſammen: „Gewiß niemand von allen bisherigen Beobachtern hat je dur<h Aufgüſſe ein einziges Fnfuſorium gemacht oder geſchaffen, weil allen, welche dergleichen erforſht zu haben meinten, die Organiſation dieſer Körperchen völlig entgangen war, ſie mithin nie mit derjenigen Genauigkeit beobachteten, wel<he nötig erſcheint, um einen ſo wichtigen Schluß zu ziehen. Weil ferner bei einer mit Benuzung der beſten jeßigen Hilfsmittel vorgenommenen und durch über 700 Arten durWgeführten Unterſuchung mir ſelbſt nie ein einziger Fall vorgekommen iſt, welcher zu überzeugen vermocht hätte, daß bei Fnfuſionen, künſtlihen oder natürlichen, eine Entſtehung von Organismen aus den infundierten Subſtanzen ſtattſände, vielmehr in allen am ſpeziellſten beobachteten Fällen eine Vermehrung dur< Eier, Teilung oder Knoſpen in die Augen fiel“ Ehrenberg zeigte, daß die am ſchnellſten und häufigſten in den Aufgüſſen erſcheinenden Tiere faſt immer denſelben höchſt gemeinen Arten angehören, die über die ganze Erde als Kosmopoliten ſi< verbreitet finden. Die meiſten, ſchönſten und größten Fnfuſorien können in fauligem Waſſer überhaupt gar nicht beſtehen und fommen daher nie in den Fnfuſionen zum Vorſchein.