Charakterologie

Allgemeiner Teil,

I. Begriff und Wefen des Charakters,

1. Der allgemeine Spradgebraud.

Was ijt „Charafter”?

Caroline von Schlegel hat in bezug auf den Philojophen Schelling gejagt: „Er hat jo unbändig viel Charakter, daß man ihn nicht erjt daran zu mahnen braucht." — Charafter ijt aljo etwas, von dem man viel oder wenig haben fann.

Goethe läkt Antonio im Tajjo die berühmt gewordenen Säße |prechen: „Es bildet ein Talent jich in der Stille — jidy ein Charakter in dem Strom der Welt." — Charafter ijt aljo etwas, was jich „bildet“, ijt nicht etwas Sertiges, das vorhanden ijt oder nicht.

Wir jprehen ferner von „guten“ und „jhledhten” Charakteren. Und zwar [cheinen die Prädifate „gut“ und „Ichleht” im Charafterlichen ihren urjprünglihen Plaß zu haben; denn Handlungen find an fic) weder gut noch jchleht — jie werden es erjt aus der charafterlichen Gefinnung, der jie entitammen.

Endlich ift auch) noch die Kraft des Charakters verjdhieden. Innerhalb des „Charaktervollen“ gibt es alle Abjtufungen zwijchen „zarten“ und „tobujtern” Charafter.

Charafter ijt aljo „jteigerbar”, Charakter „bildet jich” (prägt ich aus), Charakter jpielt in der Dimenfion „gut“ und „jhleht“, und Charafter fannı „tar“ oder ‚|hwady” jein.

Ethymologijc fommt das Wort „Charakter“ vom griechijchen gapazrıjo — das Eingegrabene, das Eingeprägte, das Kennzeichen, das Merkmal. Das Derbum yaodocw heißt „durd; Streichen oder Wegen jhärfen, jpigen, tigen“. Mit ihm hängt das lateinijche „acuo” zufammen (fchärfen) und das deutjche „erben“. (So Kerjcheniteiner.)

„geoaztno" heißt dabei aud der „Stempel“, und zwar jowohl als In= trument wie als ausgeprägtes Bild.

helwig, Eharalterologie 1