Das Nordlicht. Bd. 1-2

dieses Gesetz beim künstlerischen Fügen berechtigt mich aber nicht, aussprechen zu sollen, daß ich ein Werk mit dem Instinkt für das Dogma der Reinkarnation habe auibauen müssen. Spekulationen in diesem Sinn gehören meinem Gefühl nach in eine andre Kategorie. Kaum in die Kunst! So bin ich also, in den »Drei Ereignissen «, mit meinem künstlerischen Gefühl an diese höchste Lebensfrage herangetreten, ohne sie für mich entscheiden zu können: irgendeine Antwort durch den Intellekt zu wagen, wäre mir unstatthaft vorgekommen. Das Geheimnis der Dinge deutet sich übrigens durch den Zauber der Dichtung noch am sinnfälligsten an! Überdies gibt es auf der Ebne des freien Ichs keine allgemeinen Regeln.

Wir nahen uns dem Ende des Epos: nunmehr gibt es nur noch symbolisch gefaßte Wesenheiten. Im ersten Teil des Nordlichts erlebt das sonnesuchende Ich einen Fasching, später schaut es die Fronleichnamsprozession. Im zweiten Teil verkörpert sich das Ich, aus herrlichen Regionen kommend, um dem Heiland bei der Weltwandlung beizustehen, in einem kosmischen Weihnachten zu Alexandria. Die »Drei Ereignisse« fallen in ihrem entscheidenden Augenblick auf Ostern, wobei eine Sonne im Geiste aus dem Ararat aufersteht. Eine Ketzerei! Nun kommt es zu Pfingsten, zur großen Auferstehung des Fleisches. Obschon im Kalender noch als wandernd festgesetzt, ist Pfingsten kein tellurisches Fest. Es kann sich überall und wann immer ereignen. Es ist das große Erlebnis im Menschen selbst: jedem Einzelnen Erschließung zum Geist. Das große Pfingstgeschenk erhebt sich über das Opfer, das einem Gott dargebracht wird. Es ist ein Bekenntnis zur Freiheit. Die Ursprünglichkeit in uns wird das Erste und Letzte. Unabhängig von der Sonne macht sich allmählich die Erde, denn die Sonne der Sonnen trägt auch sie (die Erde), geheimnisvollst verwahrt. Oft

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