Der Gottesbegriff meister Eckharts : ein beitrag zur bestimmung der methode der Eskhartinterpretation
eines Meisters: 262,29: Ein meister sprichet, daz edelste daz si wesen unde leben unde bekanntnisse. Bekanntnisse ist hoeher denne leben unde edler denne wesen . . Der Begriff des esse purum, des lüter wesen hat schon eine so fest eingefahrene Bedeutung im Sinn des logos, daß Eckhart die Vorordnung des Erkennens vor Leben und Dasein schon nicht mehr für seine These benutzt, sondern auf jenen Begriff des esse purum zurückgreift: 262, 34: Nü nemen wir wider wesen bloß unde lüter, als ez in ime selber ist, so ist wesen hoeher denne bekanntnisse unde leben. Immanent wird sodann das „wesen blöz unde lüter“ mit dem Begriff der Vernünftigkeit in gedankliche Identität gebracht und damit die Gefahr einer Verdinglichung des Gottesbegriffs ausgeschlossen. Diese Verknüpfung geschieht durch folgenden Gedanken: Sofern die Seele die Dinge als wesenhaft erlebt (265, 11), kommt sie in das Licht der Vernünftigkeit und erlebt das Mannigfaltige als Einheit (264,25 ff): 264,27: Swenne die sele kumt in daz lieht der vernünftikeit, so weiz sie niht widersatzunge. Das „wesen“ der Dinge ist aber mit Gottes „wesen“ gleichartig: 265, 11: Als verre unser leben ingeslozzen ist in wesen, alse verre ist ez gote sippe. 263,55: Ein stein ist edeler als er ein wesen hat, denne got unt sin gotheit äne wesen, obe man ime wesen möhte abetuon. „Wesen“ kann nur durch Gleichartiges erlebt werden, nur sofern unser Leben .„gote sippe“ ist, und diese Erlebnisfunktion wird vollzogen durch das .lieht der vernünftikeit‘) (264,27). Wenn also künftishin vom Sein die Rede war, dann hatte das die Bedeutung des esse purum und das war identisch mit dem Begriff des intelligere, dies nicht im psychologischen, sondern im Sinn des Logos verstanden. Für diese Auffassung spricht ferner ein Text, der, weil er im Prolog zum Opus Propositionum steht, symptomatische Bedeutung hat. Dort heißt es bei einer Erörterung über das ens, unum, verum, bonum zunächst als Boethiuszitat: Das Sein habe seine Grundlage und Wurzel in den Begriffen des Wahren und Einen, und dann fügt Eckhart selbst hinzu: Das Seiende, Eine und Gute (ens, unum, bonum) haben ihre totale Bestimmung erst im Begriff des Wahren und durch das Wahre, denn es ist nichts, was nicht wahrhaft ist”). #%) Gott wird auch an anderen Stellen, allerdings ohne direkte Verknüpfung mit dem Seinsbegriff, als Vernünftigkeit bezeichnet: Pf. 58:188,28: .. der herre ist ein lebende wesende istige vernünftikeit, diu sich selber verstet, und ist und lebet selber in im selber ... cf. Pf. 32:91, 30; 50:167, 8; S4:269, 55; 272,5. Jundt Nr. 9 z. 58. 0) Den. 544,11: .... Boethius de consolatione docet, quod sicut bonum fundatur et figitur per esse et in esse, sie et esse fundatur
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