Der Jakobiner in Wien : oesterreichische Memoiren aus dem letzten Dezennium des achtzehnten Jahrhunderts

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drängten, mit heißen Küſſen und flüſterte zärtliche Liebesworte. Noch kämpfte ſie mit ſich ſelbſt ; freili<h war ſie eine Gefangene , aber ſie ſah ja den ſ{önen Mann, um welchen ſie Tauſende be‘neideten, zu ihren Füßen, als ihren Sklaven, wie ex von Sehnſucht und Liebe überwunden betheuerte; die ungewohnte üppige Pracht, von der ſie wocenlang umgeben war , hatte ihre Sinne erregt, Wünſche waren aufgeſtiegen , deren Erfüllung ihr einem \<meichelnden Traume gleich vorſchwebte, und dieſen Traum konnte ſie verwirklichen , wenn ſie ihr Loos in die Hände eines Mannes gab, der ſie ſo flehentlih um das geringſte Zeichen bat, daß ſie ihm nicht zürne. Zürnte ſie ihm? Er hatte ja die Gewaltthat, wegen der allein ſie zürnen konnte, auf alle Weiſe gut zu machen geſucht ; mit demüthiger Unterwürſigkeit ertrug er alle ihre Launen, mit dem wunderbaren Scharfſinn, welchen nur die Liebe verleiht , exrieth und befriedigte er ihre geheimſten Wünſche; mit aufmerkſamer Zartheit vermied er, was ſíe daran erinnern fonnte, daß ſie nicht frei ſei. Sie zürnte ihm nicht; es war ihr faſt, als hätte ſich, ihr ſelbſt unbewußt, etwas wie Zuneigung zu ihm in ihr Herz eingeſchlichen.