Der Jakobiner in Wien : oesterreichische Memoiren aus dem letzten Dezennium des achtzehnten Jahrhunderts

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Kärnthen, Krain und Tirol gehuldigt, mit den größten Freudenbezeugungen die Krone von Ungarn und Böhmen aufgeſezt. An dieſen feierlichen Tagen herrſchte nicht bloß in den Hauptſtädten Jubel, auch auf dem Lande war man fröhlich, entzückt über ſeine Thronbeſteigung, denn der Ruf von ſeinem guten Herzen war bis in die niedrigſten Hütten gedrungen. Er konnte da mit mehr Recht als ſein Vater den Denkfſpruh wählen: Opes regum corda populi, denn nie beſaß ein Monarch dieſen Schat in ſolcher Fülle, wie Franz in den erſten Tagen ſeiner Regierung. Seine Miniſter aber beraubten ihn dieſes Reichthumes nur zu bald. Unmittelbar nah Leopolds Tode wurde deſſen geheimes Kabinet aufgelöst und durch dasjenige erſeßt, welches Franz als Erzherzog hatte. Hierin folgte dieſer nur dem Beiſpiele ſeines Vaters. Auch Leopold hatte das geheime Kabinet ſeines Bruders “aufgehoben, ob es gleich aus ſehr fähigen Männern zuſammengeſeßzt war, und ein ganz neues errichtet, das aus Leuten beſtand, die er aus Italien mitgebracht hatte und die in den öſterreichiſchen Geſchäften ganz unerfahren waren. Franz bekleidete Colloredo mit der Würde eines Kabinetsmini-