Der Jakobiner in Wien : oesterreichische Memoiren aus dem letzten Dezennium des achtzehnten Jahrhunderts

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Grafen von Colloredo drängten, um durch deſſen mächtigen Schuß zu den höchſten Ehrenſtellen zu gelangen, nahm Graf Franz von Saurau einen dex vorzüglichſten Pläße ein. Einer armen Familie der Steiermark angehörig, hatte er als Stiftling im Thereſianum zu Wien unter den Jeſuiten ſeine Studien vollendet. Er war nun ein Mann in den beſten Jahren, ſehr fähig und kenntnißreich, beſaß ſehr viel Thätigkeit und einen raſtloſen Fleiß. Er gehörte unter die mit der kälteſten Ueberlegung handelnden Menſchen, war geſchmeidig wie ein Aal, nahm wie ein Chamäleon alle Farben an und wußte ſh vortrefflich in ſeine Leute zu ſchi>en. Unter Joſeph ein aufgekärter Mann, ein entſchiedener Feind der geiſtlichen Vorurtheile, des religiöſen Aberglaubens, wurde er unter Leopold und Franz ein fleißiger Kirchenbeſucher und orthodoxer Gläubiger.

Graf Saurau und Prandſtetter waren Jugendfreunde und begannen faſt zu gleicher Zeit ihre Amtslaufbahn — dieſer als Auskultant beim Magiſtrate, jener als Konzeptspraktikant. 1784 erhielt Saurau die Stelle eines Kreiskommiſſärs in Traisfirhen bei Wien, von da wurde er zum Gubernialrathe nah Prag befördert und 1788 kam er