Der Jakobiner in Wien : oesterreichische Memoiren aus dem letzten Dezennium des achtzehnten Jahrhunderts

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in den Herzeu Aller leben wird, welche für die ſtille Größe der Tugend empfänglich ſind.

Selbſt mit der Kaiſerin theilte Colloredo und ſeine Partei die Gunſt des Monarchen nur ungern; allein man fühlte, daß es niht ſo leicht war, ſie durch Intriguen um das unbeſchränkte Zutrauen ihres Gemahls zu bringen, und wagte feinen Verſuch, deſſen Mißlingen, wie man mit Gewißheit voraus ſah, den Sturz derjenigen herbeiführen mußte, die ihn unternahmen, da die Kaiſerin die ſchwache Seite des Monarchen, welche ſie genau kannte, leiht beuußen fonnte, um ihre Feinde zu verderben. Man beſchloß daher, ſi< des Einfluſſes der Kaiſerin ſo lange mit Vortheil zu bedienen , bis Zeit und Umſtände eine günſtige Gelegenheit darbieten würden, dieſe gefährliche Nebenbuhlerin mit guter Art aus dem politiſchen Wirkungskreiſe zu verdrängen. Bis man es nach einigen Jahren wirkli<h dahin brachte, die Kaiſerin aus dem Staats- und Konferenzrathe, wo ſie immer gegenwärtig war, zu entfernen, gebrauchte man ſie, um dasjenige durchzuſeßen, was man aus gewiſſeu Urſachen nicht ſelbſt in Vorſchlag bringen konnte, und es gelang jedes Mal.