Die Klassengegensätze von 1789 : zum hundertjährigen Gedenktag der grossen Revolution

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ihre politiſhe Stellung. Die franzöſiſhen Könige ſahen in den Parlamenten, die ſih aus dem dritten Stande rekrutirten und auf Grundlage eines dem Abſolutismus günſtigen Rechtes, des römiſchen, urtheilten, trefflihe Werkzeuge, den Widerſtand des Feudaladels zu brechen und erweiterten zu dieſem Behufe ihre Befuguiſſe und ihre Macht im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts immer mehr. Die Käuflichkeit der Parlamentsämter aber, die im 16. Jahrhundert eingeführt wurde, die ökonomiſche Selbſtändigfeit der Parlamente, deren Wichtigkeit für das geſammte ſoziale und politiſche Leben immer mehr zunahm, deren Mitglieder immer reicher wurden, Dank den fetten Sporteln, die \ſi< zuſehends mehrten, brachte es dahin, daß die Gerichtshöfe, die als Werk= zeuge des Abſolutismus zu ihren Machtbefugniſſen gelangt waren, ſließli<h es wagten, von dieſer Macht zur Wahrung ihrer Selhſtändigkeit und ihrer Privilegien gegenüber dem abſoluten König- * thum ſelbſt in einer Zeit Gebrauch zu machen, in der jede andere Schranke desſelben niedergeriſſen war, ſo daß es allmächtig ſchien.

Alle dieſe Umſtände erſcheinen uns jedo<h no< niht hinreichend, die gewaltige Rolle zu erklären, die das oberſte und älteſte der Parlamente, das Pariſer, vom 16. bis in das 18. Jahrhundert ſpielte. Weder ſein Alter no< ſein Rang machen dieſe Nolle begreiflich, ſondern nur der Umſtand, daß dies Parlament eben das Parlament von Paris war, von Paris, das bereits in den Hugenottenkriegen gezeigt hatte, daß kein König es ungeſtraft mißachtete. - Ju der Macht der öffentlihen Meinung von Paris lag niht zum geringſten Theil die Macht des dortigen Parlaments. Aber eben deswegen mußte es dieſer Meinung Konzeſſionen machen, mußte es ſeine Haltung darnach einrichten, daß ſie den Beifall der Pariſer fand. Das führte zu ganz merkwürdigen Reſultaten,

Es iſt natürlich, daß die vom König ökonomiſch unabhängigen Beamten uicht blos ſehr unbotmäßig waren, ſondern auh bei ihrer Amtsführung in der Regel nur ihren perſönlichen Vortheil im Auge hatten. ‘Weder Furcht vor Abſeßung, no< Hoffnung auf Beförderung, oder etwa gar Jutereſſe für das betreffende Gebiet, das ſie zu verwalten hatten, wirkten auf ſie ein. Sie begnügten ſih niht mit ihren regelmäßigen Einkünften und Sporteln, ſondern ſuchten dieſelben dur<h Mißbrauch ihrer Amtsgewalt zu erhöhen, wo ſie nur konnten. Die Steuerbeamten vetrogen den Fisfkus, ſahen den Reichen die Steuern nah, die