Die Klassengegensätze von 1789 : zum hundertjährigen Gedenktag der grossen Revolution

i

entſprang; ſie ſahen, daß dieſer Gegenſaß nicht ein vorübergehender, zufälliger war; wie in den Generalſtänden von 1789 hatte er in denen von 1614 und früher {hon gewirkt; er hatte als ein weſentliches Element der hiſtoriſchen Entwicklung gedient, namentli<h der Befeſtigung des abſoluten Fönigthums; ſie mußten endlich ſehen, daß dieſer Konflikt ſeine Wurzeln in den ökonomiſchen Verhältniſſen hatte.

Freilich erſchien und erſcheint no< in den meiſten Darſtellungen der Revolutionszeit der Klaſſenkampf niht als das treibende Moment der ganzen Umwälzung, ſondern nur als eine Epiſode inmitten der Kämpfe der Philoſophen, Reduer und Staat3männer, als wenn dieſe niht das nothwendige Ergebniß jenes wären. Es bedurfte gewaltiger Gedankenarbeit, ehe das, was als Epiſode erſchien, als Triebkraft nicht blos der ganzen Revolution, ſondern der ganzen geſellſchaftlihen Entwi>klung von dem Augenbli> der Bildung der Klaſſengegenſäße an erkannt wurde.

Die ſo gebildete materialiſtiſche Geſchichtsauffaſſung iſt heute noch vielbeſtritten. Die Auffaſſung, daß die franzöſiſche Revolution das Ergebniß eines Klaſſenkampfes des dritten gegen die beiden erſten Stände war, iſt dagegen längſt faſt allgemein anerkannt; ſie hat aufgehört, eine blos für Fachgelehrte beſtimmte Theorie zu ſein, ſie iſt völlig populär geworden, namentlih in der Arbeiterklaſſe Deutſchlands. Die Aufgabe der Anhänger dieſer Auffaſſung beſteht heute weniger darin, ſie zu vertheidigen, als ſie vor Verflachung zu bewahren.

Man iſ nur zu geneigt, wenn eine hiſtoriſhe Entwicklung auf Klaſſenkämpfe zurückgeführt wird, anzunehmen, daß in der Geſellſchaft jeweilig blos zwei Lager, zwei Klaſſen ſind, die einander bekämpfen, zwei feſte, homogene Maſſen, die revolutionäre und die reaktionäre Maſſe, daß ein „Hüben und Drüben nur gilt“. Wenn es ih thatſächlih fo verhielte, wäre die Geſchichtſchreibung eine ziemli<h leihte Sache. Aber in Wirklichkeit liegen die Verhältniſſe nicht ſo einfa<h. Die Geſellſchaft iſt und wird immer mehr ein ungemein komplizirter Organismus mit den yerſchiedenſten Klaſſen und den verſchiedenſten Jutereſſen, die ſi<h je nah der Geſtaltung der Dinge zu den verſchiedenſten Parteien gruppiren önnen.

Dies gilt für heute, dies gilt au< für die Zeit-® zöſiſchen Revolution. Ein kurzer Hinbli> auf die Hieshbe Verhältniſſe vor hundert Jahren dürfte nicht bh