Die Physiognomie des Menschen

licher Menschlichkeit und heiterer Bildung, sodaß er bis ins Greisenalter den schönsten Männern nichts nachgab. Alexander d. Gr. unterwarf trotz seiner kleinen Gestalt das ganze Morgenland und war allen Königen voran. Odysseus hatte eine bescheidene Körpergröße, Ajax war sehr lang und groß, jenem schreibt Homer Urteilskraft und Tugend zu, diesem Dummheit und Unbändigkeit. Ebenso hatte Tydeus nach Homer einen kleinen Körper und eine starke Seele. Marius lobte die langen, etwa 5—6 Fuß großen Soldaten, Vegetius aber meinte, man müsse nicht so sehr auf die äußere Gestalt als auf die geistige Kraft achten. Als Beispiele kleiner Menschen mit hohem Geist und großer Beredsamkeit seien erwähnt: Cor. Licinius Calvus, dessen dichterische Schriften von den Alten mit zum Besten gezählt wurden, der scharfsinnige Dramatiker Anius, der kleine, dicke, triefäugige Horaz, der kaum halbmannshohe Marsilius Ficinus, der einen wunderbaren, ungewöhnlichen Geist hatte und mehrere Sprachen beherrschte, und endlich der weise Jakobus Faber Stapulensis und der Dichter Aurelius Augurellus.

Kleine Körper mit trockenem Fleisch und einer Farbe, die auf Hitze deutet:

Solche Leute machen niemals Fortschritte; da sie klein und hastig sind, stürzen sie sich, bevor sie etwas recht verstanden oder vollendet haben, schon in etwas anderes. Ein kleiner Körper braucht nach Aristoteles nicht schlecht zu sein, die Beschaffenheit seines Fleisches und seiner Farbe kann seine Wirksamkeit mehren oder mindern. In unserem Falle kommt zu der Kleinheit eine trockene, hitzige Körpermischung. Wegen der :Kleinheit ist der Lauf der Geister kurz, wegen der Hitze schnell, so daß ein unbeständiges Gemüt entsteht, denn bevor die Seele sich in einer Meinung befestigen kann, sind die Geister schon wieder verändert.

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