Die Physiognomie des Menschen

2) ad Adamantius: Adamantius ist bedeutend jünger als Polemon. Er soll ums Jahr 400 n. Chr. in Alexandria gelebt haben. Wahrscheinlich war er ein jüdischer Arzt und trat während der Amtsführung des konstantinopolitanischen Bischofs Atticus zum Christentum über. Mit Beinamen wird er gemeinhin der Sophist genannt. Drei Schriften sind unter seinem Namen auf unsere Deit gekommen: nepi aveuwv. — repi öveipwv Tevegewc. — puoıwyvwuovırd. In dem lettgenannten, aus dem Porta zitiert, ist er der Paraphrast des Polemon. Sein Text ist vollständiger erhalten als der Polemons und in vielem genauer und zuverlässiger. — Näheres s. R. Foerster: Script. Physiogn. Bd. 1 a. a. Ö. (Griechischer Text des Adamantius nebst Anmerkungen.) — R. Foerster: Quaestiones physiognomonicae, Kiel 1890. (Textkritische Untersuchungen über Adamantius, Ayicenna, Molinius usw.) — La Phisionomie d’Adamant Sophiste, interpretee par J. Lebon, Paris 1556. — Franzius a.a. O.

°) ad Pythagoräer: Griechischer Philosophenbund in Kroton (Italien), der zu der Ärzteschule von Kroton in engsten Beziehungen stand. Sein Begründer, Pythagoras von Samos (etwa 575—500 v. Chr.), führte alles Körperliche und Geistige auf Zahlenharmonien zurück und ist der erste, von dem wir sicher wissen, daß er so etwas wie Physiognomik trieb. Seine Lehre von der Metempsychosis (Seelenwanderung) schließt das keineswegs aus, wie Born an einer späteren Stelle (Buch 1. e. 3.) annimmt, sondern kann sogar als Beweis genutzt werden. Nach welchen Prinzipien Pythagoras die Physiognomien seiner Schüler prüfte, wissen wir nicht. Die Tatsache wird jedenfalls des öfteren erwähnt (s. z. B. Gellius, Noct. Att. L 9. — und Porphyrius, De vita Pythagorae, p. 185, ed. Cantabr. 1655). Auch in späterer Zeit finden wir den gleichen Brauch, z. B. prüfte Sokrates genau Platos Gesicht und Gestalt, bevor er ihn als Schüler annahm (s. Apulejus, De Philosophia, 1. 1.).

#4) ad Aristoteles: Aristoteles von Stagira (384-5322 v. Chr.). Von seinen zahlreichen Schriften interessieren uns hier hauptsächlich die „Physiognomonika“, obwohl auch in seinen anderen Büchern sehr viele physiognomische Bemerkungen vorgefunden werden. Das erwähnte Buch ist das älteste erhaltene Werk dieses Gebietes; jedoch kann es nicht das erste sein, da Aristoteles sich im 1. Kapitel ausdrücklich auf frühere Bearbeiter beruft. Es ist ziemlich vollständig überliefert, muß aber, falls es wirklich von Aristoteles geschrieben wurde, was viele Gelehrte anzweifeln, von späteren Bearbeitern schr grob behandelt sein, da es nicht die sonstige, klare, systematische Art dieses Philosophen zeigt, sondern sich oft wiederholt und ein seltsames Gemisch ungenauer Induktionen und Deduktionen enthält. Es beherrschte die physiognomische Literatur des ganzen Mittelalters, genau wie die anderen Lehren des Aristoteles jahrhundertelang als unabänderliche Dogmen verehrt wurden. Seine Beobachtungen und Spekulationen wurden ungeprüft übernommen, widersprechende, empirische Erkenntnisse wurden soweit umgebogen, daß sie in das Schema des Aristotelischen Textes paßten, wie wir das auch bei Porta sehen

354