Die Physiognomie des Menschen

(s. Anm. 26). Es ist interessant, daß mit Aristoteles, dem ersten Gelehrten, der versuchte, Gestaltkunde wissenschaftlich zu betreiben, jene unselige Spaltung in Somatologie und Psychologie anhebt, deren falsche methodologische Einstellung mehr als 2000 Jahre zu ihrer prinzipiellen Überwindung erforderte und deren unheilvolle Konsequenzen erst unsere Zeit ganz durchschaut hat (s. z. B. die Werke von C. G. Carus, besonders die „Symbolik der menschlichen Gestalt“, neu herausgegeben mit vorzüglichen, grundsätzlich klärenden Anmerkungen von Theodor Lessing, Celle 1925. — Theod. Lessing: Principien der Charakterologie, 1926, Halle. — G. R. Heyer: Das körperlich-seelische Zusammenwirken in den Lebensvorgängen, München 1925). — Von den zahllosen kritischen Textausgaben und Kommentaren erwähne ich nur folgende: R. Foerster: Script. Physiogn. Bd. 1 a.a. ©. —R. Foerster: De Aristotelis quae feruntur physiognomonieis recensendis, Kiel 1882. (Vergleichender Bericht über die verschiedenen Codices.) — R. Foerster: De translatione latina Physiognomonicorum quae feruntur Aristotelis, Kiel 1884. (Lateinische Uebersetzung des griechischen Textes mit Anmerkungen.) — Franzius a. a, ©. — Matthias Leucomannus Cygneus: Liber Aristotelis de physiognomia. Hieronymi Adami Bauczeni Elegia in physiognomiam Aristot., Leipzig 1517. Ignatius Henrychowskius: Aristotelis, Polemonis, Adamantii doctrinae physiognomonicae in harmoniam redactae et emandatae, Vratislav 1868. — Die vielen Kommentatoren des Mittelalters findet man in meiner Bibliographie aufgeführt. — Nächst den „Physiognomonika“ zitiert Porta am häufigsten eine Schrift des Aristoteles an Alexander. Auch ihre Echtheit wird von den Fachgelehrten angezweifelt. Sie heißt Secreta secretorum und hat die Untertitel De regimine prinecipum (regum, dominorum, ducum) vel de signis et moribus naturalibus hominis vel liber morum vel epistola Aristotelis ad Alexandrum. — S. R. Foerster: De Aristotelis quae feruntur secretis secretorum, Kiel 1888. (Enthält drei Texte aus verschiedenen Codices in lateinischer Übersetzung und umfangreiche historisch-kritische Ergänzungen.) — R. Foerster: Script. Physiogn. Bd. 2 a. a. ©. — Die anderen von Porta angeführten Bücher, z. B. die „Probleme“ usw., gehören ihrem Hauptinhalt nach in andere Stoffgebiete und sind anderwärts nachzusuchen.

5) ad Galen: Galen war ein hochberühmter Arzt. Er wurde im Jahre 129 n. Chr. (nach anderen Angaben 128 oder 150 n. Chr.) in Pergamon als Sohn eines wohlhabenden Architekten geboren. Nach ausgedehnten Reisen ließ er sich in Rom nieder, wo er eine umfangreiche Praxis ausübte. Gestorben ist er 201 n. Chr. Seine Ansichten beherrschten die Medizin des gesamten Mittelalters. Auf die physiognomische Literatur gewann er großen Einfluß durch seine humoralpathologische Lehre von den Temperamenten, deren er neun unterschied, vier einfache, vier zusammengesetzte und ein gemäßigtes oder gesundes (s. Anm. 9), und durch seine Lehre von den drei Seelen, die er von Plato und Aristoteles übernommen hat. (Plato unterscheidet drei Seelenarten, 1. die vernünftige Seele (Aoyıorıxöv oder Nreuovıröv) im Gehirn, 2. die

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