Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

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Der Ausbruch des Geistes. 500 v. Chr.

‚Ihr seid nicht mehr was alle Welten bildet, Ein Fremdes schob sich zwischen euch und ihn.,

Rigveda.

Bevor die Kunst der Griechen des Olympos Götter in Menschengestalt bildete, — (Menschengestalt freilich, welcher immer doch beigemengt blieb ein Stückchen Tierheit: dem Herkules ein Stück vom Stier, dem Jupiter ein Stück vom Löwen), — bevor das Christentum, das Erbe Griechenlands und Judas antretend, — schlechthin den Menschen zum Gotte machte und den Gott wandeln hieß über die Erde; in Menschengestalt, — — — da war grade bei den stärksten und gewaltigsten Völkern, in Ägypten, Babylonien, Syrien, Iran und Indien die Überzeugung allgemein, daß nicht das über sich selber hinausgesteigerte, sondern das noch in sich selber geschlossene Naturreich das göttliche Gebilde des Lebens sei; — demgegenüber erschien die menschliche Welt der Werte und Urteile und alle Ideale des Geistes nur als Notausgang der Leidenden und mithin als der Abfall vom Reiche der Götter.

Sonne, Mond, Sterne, Wind, Welle, Meer, Flamme, Tag und Nacht, schweifendes Tier, träumende Pilanze schienen dem Urstande näher geblieben und der Gottheit sicherer zu sein; weswegen denn die Götter immer von Tieren geboren und genährt, nicht aber von Menschen gezeugt wurden; ia die Götter nahmen auch ihren Wohnsitz in Tieren: Osiris im Widder, die Göttin Bast in der Katze, Ra, der Sonnengott im Ibis, Dhuti, der Mondgott gleichfalls im Ibis, Anubis, der Totengott im Schakal; die Mondgöttin Lackschami unter dem Euter der Kuh. Nur die arbeitenden Kultur- und Haustiere wie Pferd, Maultier, Kameel erschienen zu weit von der Natur abgefallen und schon zu vermenschlicht, um noch als göttlich angebetet zu werden. —

In den frühesten, vier Jahrtausende alten indischen Hymnen wird ein einfältiges urtümlich altväterisches Bild verwendet als Gleichniß für die rätseltiefe Tatsache, daß ein Teil des Unbedingten, des brähma, nämlich: der Mensch, ‚Boddhi, der Geweckte‘ sich aufwari zum Gewaltherrn und Erlöser der vorbewußten und naturgebundenen Erde. — Es ist das Bild von der Butter, welche ieststeckt in der unverdorbenen gesunden Milch; — wird dagegen die Butter der Milch entschöpft

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