Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.
98 IV. Jm Dienſte der europäiſchen Reaktion.
erledigt hatte, konnte er die Reiſe zu einem neuen Kongreſſe antreten, der im Herbſte des Jahres 1822 in Verona begann.
Das war eine ſchöne Zeit für die Neugierigen Europas, denn die Blätter wußten gar viel von den prunkvollen Veranſtaltungen zu erzählen, mit denen die Beratungen der Diplomaten gewürzt wurden. Seit dem Wiener Kongreſſe war ein ähnlich glanzvolles Schau=gepränge nicht geſehen worden. Zwar meinte der blaſierte Metternich verdroſſen, daß er ſeine einzige Zerſtreuung im Salon der Grüfin Lieven finde, wo ſich die Großen und die Gernegroßen faſt täglich ein Stelldichein gaben, doch Geng, deſſen Augen nicht leicht zu blenden waren, bekannte ein, daß er ſich „in dem Gewühle und Durchein=ander ohnegleichen“ faſt erdrü>t fühle. Der ganze Schwarm des Kongreßgefolges fand ſi<h abermals zuſammen; glanzvolle Feſteſſen, ſhimmernde Revuen und Jlluminationen, ſowie großartige Schauſtellungen in der Arena löſten einander ab. Jn den ſchönen Renaiſſancepaläſten Veronas drängte ſich eine unterhaltungsſüchtige, bunte Menge von Fremden, die ſo vielköpfig war, daß ſie die Räume kaum aufnehmen fonnten. Auch an künſtleriſchen Genüſſen fehlte es niht; Roſſinis Opern entzü>ten die muſikfreudigen Ohren und die gefeierte Catalani ließ ihren göttlichen Geſang berauſchend ertönen. Nebſt dem Kaiſer Franz, dem Zaren Alexander und dem Könige Friedrich Wilhelm TITI. erſchienen alle italieniſchen Fürſtlichfeiten mit Ausnahme des Papſtes in der kleinen Stadt, wo einſt Romeos und Julias Liebe erglühte. An die Monarchen ſchloſſen ſih die erſten Diplomaten Europas an, denen die eigentliche Arbeit zufiel.
Zwiſchen hundertfachen Zerſtreuungen erledigte man die Geſchäfte. In erſter Linie fam die Ordnungderſpaniſchen Angelegenheiten in Betracht. Metternich ließ dur< Genß eine Denkſchrift au8arbeiten, die ſih mit den Zuſtänden auf der Pyrenäenhalbinſel befaßte und ſehr ſchroff einſezte. Jn Spanien und Portugal ſollten die Verfaſſungen vernichtet und nicht bloß geändert werden. Der ſranzöſiſche Miniſter des Äußern Montmorency konnte ſich trot der Warnungen ſeines Kabinettschefs nicht meiſtern, ſondern blies zum Sturm. Ex ſtellte an die Verſammelten drei ſcharſformulierte Fragen. Die Verbündeten ſollten erklären, ob ſie Frankreichs Beiſpiel folgen würden, wenn das Königreich ſeinen Vertreter von Madrid abberiefe, ob ſie Frankreich im Kriegsfalle moraliſh unterſtüzen wollten und ob ſie geneigt wären, auh Beiſtand zu leiſten, falls es zum Kriege käme. Am 30. Oktober wurden die Antworten bekannt=-