Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.

58 IT. Der Kampf gegen Napoleon.

Orte der Entſcheidungen nahe zu ſein, verlegten Franz und Metter= nich ihren Aufenthalt nah Gitſchin. Dort traf auh Graf Neſſelrode ein, der diplomatiſche Berater Alexanders, deſſen Karriere in dieſer Zeit begann. Er ſollte Öſterreich zum Anſchluſſe an die Verbündeten bewegen, ſtieß aber auf den Widerſtand des Kaiſers Franz, der dem Kriege abgeneigt war. Allenfalls ging Metternich aus ſich heraus, indem er ſe<s Bedingungen nannte, die er als Vorausſezung für den Frieden betrachtete. Die erſten vier Punkte verlangten: die Aufhebung des Herzogtums Warſchau, das unter die Oſtmächte zu verteilen wäre; die Verſtärkung des preußiſchen Staates durch dieſe Teilung und dur die Rückgabe von Danzig, ſowie durch die Räumung der Feſtungen dur<h Napoleon ; den Rückfall der illyriſhen Provinzen an Öſterreich; endlih die Unabhängigkeit der Hanſaſtädte, die dem Jmperatorentraume des Korſen zum Opfer gefallen war. Sollte Frankreichs Kaiſer auf dieſe Bedingungen nicht eingehen, dann wollte Metternich ihre Annahme mit den Waſſen erzwingen. Am 27. Juni wurde in Reichenbach ein geheimer Vertrag zwiſchen Öſterreich, Preußen und Rußland vereinbart, der die vier Forderungen formulierte und das feierliche Verſprechen des Wiener Hofes enthielt, ungeſäumt den Krieg zu erflären, wenn Napoleon bis zum 20. Juli niht eingewilligt haben würde. Jn dieſem Falle wären dann die Wünſche zu erweitern, und Frankreich müßte gezwungen werden, ſi<h mit ſeinen natürlichen Grenzen zu beſcheiden.

Um im Sinne dieſer Abmachungen zu wirken, fuhr der öſterreichiſche Miniſter des Äußern nah Dresden, wo Napoleon reſidierte und in den Mußeſtunden bewundernd dem Spiele ſeines geliebten Talma folgte. Dort fand die denkwürdige Beſprechung des Korſen mit Metternich ſtatt, die volle neun Stunden ohne jede Pauſe währte. „Sie wollen alfo den Krieg““ — begann der Kaiſer nach des Miniſters Aufzeichnungen — „gut, Sie ſollen ihn haben. Ich habe zu Lützen die preußiſche Armee vernichtet; ih habe die Ruſſen bei Baugzen geſchlagen. Auch Sie wollen an die Reihe kommen, es ſei: in Wien geben wir uns Rendezvous! Die Menſchen ſind unverbeſſerlich, die Erfahrung iſt für ſie verloren. Dreimal habe ih den Kaiſer Franz wieder auf den Thron geſezt; ih habe ihm ver=ſprochen, mein Leben lang mit ihm in Frieden zu bleiben. Jh habe ſeine Tochter geheiratet; damals ſagte ih mir, du begehſt eine Torheit, aber ſie iſt begangen, ih bereue ſie heute.“ So ſprach ſi<h Napoleon in Eifer, ſo kam er von der Wahrheit ab. Jm Laufe der Un-