Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.

60 II. “Dex Kampf gegen Napoleon.

wollte den Faden der Verhandlungen nicht ganz abreißen und-\<hlug deshalb einige Zugeſtändniſſe vor. Auf nichtoffiziellem Wege wurden ſie in Prag rechtzeitig bekannt. Jhre offizielle Mitteilung traf jedoch erſt nah dem Lostage, am 11. Auguſt, ein. Die Öſterreicher, Preußen und Ruſſen hatten nicht ſolange gewartet und mit dem lebten Glo>enſchlage des 10. Auguſt verkündet, daß der Kongreß beendigt ſei. Zwei Tage ſpäter erklärte Kaiſer Franz den Krieg.

Was ſo oft angeſtrebt worden und ſo oft fehlgeſchlagen war: der große Bund gegen Frankreich wurde zur bedeutungsvollen Tat. Jn feindliche Lager geſchieden, waren die drei Mächte Napoleon gegenüber zu ſ{hwach geweſen, doh mit vereinten Kräften konnten ſie den franzöſiſchen Adler zum Sinken bringen. Gegen Ende Juli hatten Öſterreich, Preußen und Rußland eine geheime Vereinb arung geſchloſſen, wonach die Habsburg-Lothringiſche Monarchie im Falle des erſehnten Sieges das Königreich Jtalien und JFllyrien erhalten ſolle; dem König von Sardinien wurde ſein Land wieder zugedacht. Mittelitalien mit Genua wäre zum Teile öſterreichiſchen Erzherzogen zuzuweiſen. Sizilien ſollte den Bourbonen erhalten bleiben, deren Jntereſſe der Londoner Hof beſchüßte. Einige Wochen nachher trat au<h England dieſem Vertrage bei). Das Fell des Bären war demnach bereits verteilt, nun mußte das Tier auc erlegt werden.

Die Koalition gegen Frankreich verfügte nach dem Beitritte dſterreis über 500000 Mann. Der Kriegsplan wurde in einer Beſprechung zu Trachenbekg entworfen. Drei Armeen ſollten den gewaltigen Kampf aufnehmen. Mit der Führung der Hauptarmee wurde der Öſterreicher Fürſt Carl Schwarzenberg betraut. Welch ſonderbare Fügung ! Ein Jahr vorher hatte er das Hilfskorps befehſigen müſſen, das Kaiſer Franz ſeinem Schwiegerſohne gegen den Zaren beizuſtellen gezwungen war. Damals ſette ſich Napoleon in der Wiener Hofburg dafür ein, daß dem Feldherrn der Marſchallſtab verliehen wurde. Er ſagte deshalb, er habe den Kaiſer Franz erſt gelehrt, Schwarzenberg zu ſchäßen. Dieſer Diplomat und Krieger ein friedlicher Diplomat, ein diplomatiſcher Krieger — erfreute ſich bi8her bei dem Kaiſer der Franzoſen in hohem Maße des Wohlwollens. Gar manche3mal hatte Napoleon mit ihm daheim die Frage erörtert, wie man Paris angreifen und wie man es verteidigen

2 es von Treitſchke. Deutſche Geſchichte "im 19. Jahrhundert. 1. Band.