Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.

B. Napoleons Niederlage. 69

nicht vermochte, gelang auch niht der Poeſie, und die Verbündeten der Befreiungskämpſe entfremdeten ſich. Die Spannung ſtieg, als Metternich mit dem Zaren ein perſönliches Zerwürfnis hatte — der ruſſiſche Kaiſer wollte den Miniſter ſogar zum Duell fordern. Es ſchien faſt eine Weile, als würde der Kongreß durch eine Miniſterfriſe in Öſterreich geſtört werden 1). Indes, am 3. Januar 1815 wurde ret geheimnisvoll zwiſchen Öſterreich, Frankreih und England ein Vertrag vereinbart, durch den ſich die drei Mächte verpflichteten, mit ihren militäriſchen Kräften Sachſen den preußiſchen Armen zu entreißen ; befand ſich doch das Land ſchon ſeit Oktober in der Verwaltung des Hohenzollernſtaates. Da durfte Talleyrand voreilig voll Schadenfreude an ſeinen König ſchreiben : „Die Koalition iſt aufgelöſt, und ſie iſt es für immer !“ Aber die Kanonen blieben unbeſpannt. Troß der Gereiztheit ſiegte die Vernunft. Öſterreich ſette durch, daß Preußen ſi zur Politik der Nachgiebigkeit bekannte. Anfangs Februar ſchränkte Hardenberg den urſprünglich auf ganz Sachſen gerichteten Anſpruch ein, und die drohende Entzweiung war damit abgewendet. Allmählich wurde in allen Einzelheiten ein zufriedenſtellendes Einvernehmen erzielt, ſo daß die Angelegenheit im Mai erledigt war. Der König von Sachſen verlor nicht ſein ganzes Land; immerhin mußte er ſeine Hinneigung zu Napoleon damit büßen, daß er etwa zwei Fünftel ſeines Beſißes an Friedrich Wil= helm III. abtrat. Durch die Löſung des ſächſiſchen Problems kam die Ordnung der polniſchen Frage in Fluß. Der Zar verſtand ſi gleichfalls zu Kompromiſſen.

Auf die Bewältigung der verwi>eltſten Aufgaben des Kongreſſes hatte ein Ereignis erſter Ordnung beflügelnd gewirkt. Am 26. Februar 1815 verließ Napoleon dieJnſel Elba, um das Kaiſerreih wieder auferſtehen zu laſſen. Jn der Nacht vom 6. auf den 7. März traf die erſte Nachricht in Wien ein. Metternich, der frühmorgens heimgekehrt war, konnte ſich zuerſt ſ{laftrunken nicht entſchließen, in die ihm überreichte Depeſche Einbli> zu nehmen. Einmal geſtört, fand er jedoch keine Ruhe, bis er die alarmierende Kunde erfuhr. Jn wenigen Minuten war der Fürſt angekleidet; um acht Uhr begab er ſich zu Kaiſer Franz; gleih nachher zum Kaiſer Alexander und hierauf zum König von Preußen. Überall fand er die größte Entſchloſſenheit, den abenteuerlichen Verſuch zu durchkreuzen. Um

1) Alfred Ritter von Arneth, Johann Freiherr von Weſſenberg. Wien 1898. 1. Band. as