Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

250 y Neueſte Geſchichte. 2. Zeitraum,

lange Verbindung mit Napoleon, ſich in einer dem Könige Friedrich Auguſt niht unähnlichen Lage befanden. Es kam ſo weit, daß, beſonders auf Tal= leyrand's Veranlaſſung, England, Frankreich und Oeſterreich am 3. Jan. 1815 im Geheimen einen Vertrag unterzeihneten, dem au<h Sardinien, die Niederlande, Hannover und Bayern beitraten, in welchem ſie ſi< für gewiſſe Fälle bewaffnete Hülfe zuſagten. Rüſtungen wurden von beiden Seiten angeordnet, und ſelbſt ein Krieg8plan entworfen, bei welchem beſonders der bayeriſche Bevollmächtigte am Kongreß, Fürſt Wrede, thätig war. Dieſes Bündniß konnte nur gegen Preußen und Rußland, wenn ſie auf ihren Anſprüchen beharren ſollten, gerichtet ſein. Die Kühnheit, unter allen Umſtänden, und ſelbſt auf die Gefahr hin eines offenen Bru= hes mit den bisherigen Verbündeten , auf der Einverleibung ganz Sach= ſens zu beſtehen, lag niht in der Sinnesweiſe Friedrich Wilhelm TIT. und ſeines erſten Miniſters. Es hätte dazu au< ohne Zweifel eine Be= rufung an die Völker Deutſchlands, eine Erklärung, daß man nur in deren Intereſſe handle, und die raſche Gewährung freiſinniger Inſtitu= tionen gehört, um in der öffentlihen Meinung eine thätige Unterſtüßung zu finden. Solche Mittel lagen aber außerhalb des Kreiſes der damals herrſchenden Vorſtellungen. Man kam endli<h unter den Mächten über eine Theilung Sachſens überein, vermöge deren Preußen von den 2,100,000 Einwohnern, aus denen der ſächſiſhe Staat bisher beſtanden, 800,000 auf ſeinen Antheil erwarb. Die Elb-Feſtungen, Torgau und Wittenberg, wurden ihm übergeben. Die beiden Hauptſtädte des Landes, Dresden und Leipzig, ſollten bei Sachſen verbleiben. Der Kö= nig Friedrich Auguſt wollte lange von keiner Abtretung wiſſen, und ſeine Rathgeber zogen niht nur Alles herbei, was ſein Verhalten während des großen Befreiungstampfes entſchuldigen konnte, ſondern ſie unter= nahmen ſelbſt das Unmögliche, indem ſie ihn als vollkommen in ſeinem Recht befindlich hinzuſtellen verſuhten. Da man zuletzt ohne ihn ab= | ſ<ließen zu wollen erklärte, ſo wurde er endlich (18. Mai 1815) zur Unterzeichnung der Abtretungsurkunde bewogen. Anfang Juni kehrte er na<h Dresden zurü> und trat wiederum die Regierung ſeiner ge= \<mälerten Staaten an. Die lange Eiferſucht der Häuſer Brandenburg und Sachſen, von denen leßteres bis zum dreißigjährigen Kriege das mächtigere geweſen, und ſi ſpäter vergebens durch die polniſche Königskrone für ſein Sinken in Deutſchland zu entſchädigen unternom=men hatte, endigte mit dem Siege Brandenburgs , einem Siege, der bei mehr Kühnheit und Beharrlichkeit vielleiht no< vollſtändiger ausge= fallen wäre.