Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

954 Neueſte Geſichte. 2, Zeitraum.

ſih der Herrſchaft der fremden Eroberer zu entledigen. Zu dieſer Be= freiung hatten aber die Fürſten, die allerdings bei ihr au am meiſten zu gewinnen hofften, niht nur mitgewirkt, ſondern den erſten Anſtoß zu ihr gegeben, und erſt dur< ihren Ruf den Funken zu einer Flamme angefaht. Es muß dies wenigſtens in Bezug auf die beiden erſten deutſen Souveraine, und au auf mehre kleinere, zugeſtanden werden. Die deutſchen Völker hatten ſih niht ſo durchaus aus eigener Eingebung, wie 'z. B. die Spanier, gegen das fremde Joch erhoben. Die Loſung war von oben gekommen, der Brennſtoff allerdings vorhanden, aber erſt von der Hand der Fürſten angezündet worden. Die lange Gewohnheit der Abhängigkeit hätte ſonſt die Geſinnung niht zur That werden laſſen. Dieſe Weiſe der Befreiung Deutſchlands ſollte auf die Geſtal= tung der deutſchen Zuſtände von entſcheidendem Einfluſſe werden, und überhaupt ſo lange na<wirken, als der Geiſt jener Epoche lebendig blieb. Die Völker traten nah beendigtem Kampfe, den ſie mit gemeinſamer An=ſtrengung geführt und der einen Augenbli> lang ihr Bewußtſein erhoben hatte, wieder in die Zerſplitterung, die Unbeſtimmtheit und das Dunkel ihrer früheren Lage zurü>. Um damals eine politiſhe Wiedergeburt Deutſchlands hervorzubringen, wäre nothwendig geweſen , daß die deutz ſchen Völker dieſelbe Kraft, wie für die Befreiung von der Fremdherrſchaft, au auf die Erringung größerer Einheit und Freiheit im Innern verwandt hätten. Da aber die Nation hierzu niht genug gewe>t und vorbereitet , überhaupt kein tiefes Bedürfniß nah einem höheren ſtaat= lichen Daſein fühlbar war, ſo glaubten ſi<h auc die Fürſten nicht zu deſſen Befriedigung veranlaßt. Sie kehrten allmälig in die alten Bahnen zurüd>, obgleich ſie ihre Pflicht beſſer erfüllt und die eigene Zukunft mehr geſichert hätten, wenn ſie, wie vorher für das Werk der äußeren Befreiung, ſo ſpäter für das der inneren Freiheit, ohne dringende Mahnung und angethanen Zwang, an die Spiße getreten wären.

Im Anfange der Verhandlungen über die Geſtaltung der deutſchen Verhältniſſe auf dem Wiener Kongreß wurden die nationalen Intereſſen nicht ſo gänzlich den politiſchen Kombinationen, wie gegen das Ende hin, und wie gar erſt in den na<folgenden Jahren geſchehen ſollte, nahgeſegt. Die preußiſchen und öſterreichiſhen Staatsmänner hatten no< nicht vergeſſen, welchen Vortheil die Franzoſen , bei ihren Angriffen, aus dem Mangel an Einheit und Volksthümlichkeit im deutſchen Leben gezogen, uud wie ſehr dadvr< niht blos die deutſche Nation , ſondern aub die Dynaſtien, namentlich die beiden erſten, die zugleich eine europäiſche Bedeutung beſizen, bedroht geweſen waren, Man ſuchte eine Zeit lang