Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

Erklärung der Kammern gegen Napoleon. 975

Erſcheinen in Frankreich unvermeidli< gemacht, mit Würde und Nüh= rung zu erkennen gab, und an die Segnungen des Friedens und der Freiheit erinnerte, die feine Nückkehr dem Lande verſchafft, nahm auch der Graf von Artois das Wort, und verſicherte in ſeinem und ſeiner Söhne Namen das unverbrüchliſte Feſthalten an dem konſtitutionellen Grundgeſe und deſſen treueſte Bollziehung. Dieſe Erklärung ward von den Kammern, obgleich des Prinzen bisheriges Verhalten ihr widerſprach, beifällig aufgenommen. Die Pairs und Deputirten bewiefen niht blos Anhänglichkeit, ſondern wirkliche Begeiſterung für den greiſen König, der in ihren Augen der lette Anker Frankreichs in dem heranbrechenden Sturme war. Auf Antrag des Deputirten Barrot, Vaters des ſpäter be= rühmt gewordenen Redners, erklärten die Kammern den Krieg gegen Napoleon für einen nationalen, da durch letzteren die politiſche Freiheit während ſeiner Regierung vernichtet worden, und er jet ſih cigenmäch= tig erhoben habe, um die Krone Dem zu entreißen, welcher der Nation ihre verlorenen Rechte wiedergegeben hatte. Als der König den Sizungs= ſaal verließ, entſtand nac großem Beifallsruf plöblich eine tiefe Stille. Die Verſammlung ſchien von dem Gefühl einer verhängnißvollen Zukunft erfüllt zu ſein. Dieſe Ahnung betrog nicht.

Aber nicht nur in den Kammern, in Paris ſelbſt herrſchte in jenen Tagen eine trübe und ſ{<were Stimmung. Man ſah die Regierung des Königs ernſtlich bedroht, welche, ungeachtet ihrer Fehlgrifſe, von dem aufgeklärten Theile der Bevölkerung immer bei weitem der des Kaiſers vorgezogen wurde. Es kam Nachricht über Nachricht an, daß die zur De>ung der Hauptſtadt beſtimmten Truppen übergegangen oder ELS ſtreut, die wenigen treu gebliebenen aber in vollem Nückzuge begriffen waren. Die ſoldatiſche Willkühr des Napoleon’\{en Kriegsvolkes er= bitterte Alle, die noc einen Funken von Unabhängigkeitsſinn in ſich tru= gen. Es bildeten - ſi< Schaaren von Freiwilligen in der Jugend der höheren Klafſen, um ſi< den Regimentern anzuſchließen, die no< Stand hielten. Aber es war hierzu {on zu ſpät, und die Nationalgarde , die allein vem Widerſtande einen Anhaltspunkt gewähren konnte, ſchien nur zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung geneigt zu ſein.

Ungeachtet die Regierung des Königs offenbar in den leßten Zügen lag, ſo wagten die Anhänger Napoleon's in der Hauptſtadt ſelbſt nichts gegen ſie zu unternehmen oder ſi< au< nur zu zeigen, ſondern trafen ihre ' Verabredungen im Geheimen. Bis zum lesten Augenbli> ſah man in Paris feine faiſerlihen Farben oder Zeichen. Ludwig XVIIL., der während dieſer Kataſtrophe eine Faſſung und Stärke darlegte, die ihn des Thrones

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