Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

? Das Maifeld. 301

gleich ſo beliebt und berühmt war, ſondern er trug über dieſer, wie ſeine Brüder, ein Gewand von weißer Seide, mit goldenen Bienen geſti>t. Obgleich er Alles, was er war, auf dem Schlachtfelde geworden , ſo zog er es doh vor, bei beſonders wichtigen Veranlaſſungen in einer von ſeinem Krieg8volke verſchiedenen Kleidung aufzutreten, um die Menge daran zu erinnern, daß er nicht blos der erſte Soldat, ſondern vor Allem der Souverain und Imperator ſei. Es herrſchte eine tiefe Stille, als der Kaiſer ſichtbar wurde, denn unter den Zuſchauern kannten die meiſten niht den eigentlichen Zwe> dieſer Feierlichkeit, und je nah den Meinungen und Parteien herrſchten darüber die ſeltſamſten, mit Napoleon's Charakter und Plänen unvereinbarſten Anſichten. Die Einen glaubten , ex wolle dem Thron entſagen, die Republik proklamiren , und ſi als erſter General an die Spite des Heeres zur Vertheidigung des Vaterlandes ſtellen. Die Anderen gingen nicht ſo weit , aber meinten, er würde ſi zu einer Wahl und Beſtätigung ſeiner Würde von Seiten des Volkes bereit er= klären. So unſicher und gefährlich erſchien Napoleon's Lage, ſo ſehr war in einem Theile der Bevölkerung, ſeit ſeinem erſten Sturze, der Glaube an ſein Recht und ſeine Macht erſchüttert worden. Bald ſollte jedoch jeder Hweifel über den Sinn dieſes Schauſpiels verſhwinden.

Nachdem der Kardinal Cambacérès, Erzbiſchof von Rouen, ein Bru= der des Reichs-Exzkanzlers, welcher na< dem 20. März, obwohl ungern, das Juſtizminiſterium übernommen hatte, das Hochamt gehalten, ſegnete er die ihm von 300 Officieren dargereichten Fahnen ein. Dieſe Officiere waren die erſten in der Verſammlung , die Napoleon , indem ſie die Fahnen emporhielten und ſ<hwenkten , mit einem langen und ſtürmiſchen Lebehoh begrüßten. Darauf trat der Repräſentant Dubois auf, und las die Adreſſe der Wähler in den Departements und das Ergebniß der Abſtim= mung vor. In dieſer Adreſſe wurde zwar die Wahl Napoleon's zum Kaiſer und das Princip der Volksſouverainetät berührt, ſonſt aber die tiefſte Ergebenheit und Bewunderung für ihn und die Hoffnung auf den Sieg über ſeine Feinde ausgedrü>t. Napoleon , am Fuße der Pyramide ſtehend, nahm das Wort und erklärte, in der ihm eigenen entſchiedenen und großartigen Weiſe, die Abſicht, Frankreich im Sinne des Friedens und der Freiheit regieren , aber auch daſſelbe gegen jeden Angriff auf das Aeußerſte vertheidigen zu wollen. Er beſchwor, die Hand auf das ihm vom Kardinal - Erzbiſchof vorgehaltene Evangelium legend, die Konſtitution, und Herolde verkündigten deren Annahme. Er legte den kaiſerlichen Mantel ab, zeigte ſich in ſeiner gewöhnlichen Kriegsfkleidung , und theilte an die vorbeiziehenden Regimenter die Fahnen aus, die unter dem begeiſtextſtet? =.