Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

Eröffnung der Kammern dur< Napoleon. 303

und gegen ſeine Vertrauten äußerte er ſeine Unzufriedenheit mit den Rez präſentanten , und ſeine Abſicht, mit der republikaniſchen und konſtitutio= nellen Partei nah glü>li< beendigtem Feldzuge Abrehnung halten zu wollen. Die Kammer erinnerte ſi<h in dieſem Augenbli>e, wo es ſich darum handelte, ihre Geſinnungen gegen den Kaiſer durch die Wahl ihres Präſidenten auszudrü>en , mehr des Lucian, der dur ſeine Theilnahme am Staatsſtreiche vom 18. Brumaire Napoleon's Despotismus vorbe= reitet , als des Lucian , der ſpäter ein Diadem ausgeſchlagen hatte. Noch mehr trat die Abſicht der Nepräſentanten, ſi< Napoleon ſo wenig als mögli< anzuſchließen , ihn mehr zu dulden als zu unterſtützen, in dem An= trage des ſeine politiſche Laufbahn damals beginnenden Dupin des Aelteren hervor, der vorſchlug, nur der Verfaſſung, aber niht dem Kaiſer zu \{<wören , was nur mit geringer Majorität abgelehnt wurde.

Napoleon eröffnete die Kammern mit einer Rede, in der er ihnen den Ausbau der Verfaſſung dur< zwe>mäßige Geſeße, und vor Allem Eintracht und Vaterlandsliebe empfahl. Er ſprach bei dieſer Gelegenheit niht mit dem ihm ſonſt gewöhnlihen Shwung und Nachdru>. So ſehr Napoleon's Charakter ſich den Umſtänden überlegen zu zeigen geeignet war, die Flamme ſeines Geiſtes bra< nur dann in ihrer ganzen Kraft hervor, wenn ſie gewiß war, auf einen brennbaren Stoff zu fallen. Aber die Stimmung der Kammern war kalt und zurüchaltend, ohne eine Spur von der Begeiſterung, die am Vorabende großer Ereigniſſe natürlich ge= weſen wäre. Durch die Antwortsadreſſe der Repräſentanten bli>te ſogar ein Mißtrauen in die Aufrichtigkeit der konſtitutionellen Geſinnung des Kaiſers hindur<, wozu allerdings ſeine ganze Vergangenheit nur zu viele Veranlaſſung gab.

Die Armee war nah der Rü>kehr Ludwig XVIIT. auf den Friedens= fuß geſeit worden. Napoleon beſchäftigte ſi , von ſeinem Kriegsminiſter dem Marſchall Davouſt treffli< unterſtüßt, unausgeſeßt mit deren Ver= mehrung und Reorganiſation, aber um auf dem gewöhnlichen regel= mäßigen Wege dieſes Ziel zu erreichen, hätte es, ungeachtet der größten Thätigkeit , einer viel längeren Zeit bedurft, als ihm die Umſtände übrig ließen.

Napoleon hatte bei ſeiner Landung in Frankreich auf zwei Dinge gerechnet, die nicht in Erfüllung gingen, einmal auf eine geſpannte und ſelbſt feindſelige Stimmung unter den Großmächten gegen einander , und dann auf eine allgemeine Erhebung des franzöſiſhen Volkes zu ſeinen Gunſten. Beides geſchah niht. Die Verbündeten traten einmüthig gegen ihn zuſammen, und die Maſſen widerſetzten ſich ihm zwar nicht, grifſen aber