Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

312 Neueſte Geſchichte. 2. Zeitraum.

es geſchehen ſei, der demnach in dieſer irrigen Vorausſetzung ſeine weiteren Anordnungen traf.

Wellington , keinen ſo nahen Ausbruch des Krieges vorausſehend, wohnte in der Nacht vom 14. zum 15. Juni einem Feſte bei der Herzogin von Richmond in Brüſſel bei, und war eben in einer Unterhaltung mit dem unter ihm kommandirenden Herzoge von Braunſchweig begriffen, als er die Nachricht von dem Uebergange der franzöſiſhen Armee über die Sambre erhielt. Dieſe unerwartete Kunde brachte auf ihn und den ihn umgebenden Kreis einen außerordentlichen Eindru> hervor.

Wellington begriff ſogleich die Gefahr, in der ſein Heer, bei der großen Ausbreitung ſeiner Stellung und dem Mangel an Vorbereitungen zu dem nahen Kampfe ſ{<webte. Aber wenn der engliſche Feldherr in dieſer Beziehung wenig Vorſicht gezeigt, ſo machte er den begangenen Fehler dur die Raſchheit der jetzt zu treffenden Maßregeln wieder gut. Es flogen noh in derſelben Nacht Adjutanten und Eilboten nah allen Standquartieren, um die Truppen überall zuſammenzuziehen und die zu= nächſt liegenden augenbli>li< in Marſh zu ſeßen. Das Erſte, woran Wellington dachte, war die Höhe von Quatrebras , deren Wichtigkeit er eben ſo wohl wie Napoleon erkannt hatte. Am Tage vorher war dieſe Stellung nur von einigen Bataillonen unter dem Prinzen von Sachſen= Weimar beſetzt geweſen, die am andern Morgen mit 8000 Belgiern und Holländern verſtärkt wurden. Ney zögerte in unerklärbarer Verblendung mit dem Angriff. Ex ſchien die Wichtigkeit dieſes Punktes erſt zu fühlen, als er ſah, daß der Feind alle ſeine Streitkräfte dort zuſammenzog. Als Ney ſi endlich zur Erſtürmung dieſer Poſition anſchi>te, war es zu ſpät geworden. Seine verzweifeltſten Angriffe wurden mit großem Verluſt zurü>geſhlagen. Beſonders litt die franzöſiſche Reiterei, die das Unmögliche möglich machen wollte. Die Kuiraſſiere unter Kellermann drangen mehrmals gegen die Höhe vor, wurden aber immer wieder geworfen. Der ‘General Kellermann hatte ſi< mit dieſer Waſfe ſhon bei Marengo her= oorgethan, und war der Sohn des Napoleonſhen Marſchalls, der bei Valmy fot. Ney bewies, als es zum Gefecht kam, den ihm eigenen ungeſtümen Muth, und ſette ſih den größten Gefahren aus, aber nichts konnte die von ihm begangene Verſäumniß wieder gut machen.

In der Schlacht von Quatrébras fiel der Herzog von Braunſchweig, deſſen kühner Zug dur< Norddeutſchland im Jahre 1809 dazu beige= tragen hatte, das ſinkende Nationalgefühl zu beleben, wenigſtens die Möglichkeit eines Widerſtandes gegen die fremden Unterdrücker zu beweiſen, und eine größere Erhebung gegen ſie vorzubereiten.