Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

Ney bei Quatrebras. 313

Aber außerdem, daß Ney bei Quatrebras nichts ausrichtete, und die Kraft ſeines Heeres zwe>los verſchwendete, ſo war ſein Verhalten auh no der Grund, daß Napoleon's Sieg bei Ligny unvollſtändig blieb. Der Kaiſer hatte, in der Vorausſebung, daß Quatrebras beſetzt ſei, vem Marſhall am Morgen des 16. Zuni den Befehl zugeſ<hi>t, mit dem Gros ſeines Heeres auf Ligny zu ziehen, um dort den Angriff gegen die Preußen zu unterſtützen. Dies wäre leicht auszuführen geweſen, ſobald Quatrebras, wie es Napoleon angeordnet , befeſtigt war. Ney, eine hinreichende Beſabung auf der Anhöhe zurülaſſend, die den Angriffen der Engländer getroßt hätte, konnte mit dem übrigen Heer Napoleon zu Hülfe eilen. Da Blücher der Armee , die der Kaiſer perſönlich führte, nur mit äußerſter Anſtrengung und zuletzt vergeblich widerſtand, ſo wäre ſeine Niederlage, wenn Ney mit ſeiner Macht noh dazu kam, ohne Zweifel vollkommen, und er zu jeder weiteren Unternehmung für den Augenbli> unfähig ge= weſen. Aber Ney beſtürmte, um die Zeit, wo Napoleon bei Ligny focht, ohne Erfolg die Stellung der Engländer bei Quatrebras, Dieſer erſte Fehler des Marſchalls, der früher immer ſo große Kraft und Einſicht ge= zeigt, ward die Veranlaſſung zu noh weiterem Mifßzgeſhi>. Der General d’Erlon, der unter Ney kommandirte , war mit ſeinem Korps noch zurü>, als leßterer den Angriff auf Quatrebras begann. Er erhielt Befehl, zu ihm zu ſtoßen. Indem ſi d'Erlon hierzu anſchi>te, erſchien aber Labedoyere bei ihm, den Napoleon mit der Ordre an Ney, auf Ligny zu mar= ſchiren, abgeſandt hatte. Als d'Erlou dies vernahm, ſtellte er ſeinen Marſch auf Quatrebras ein, um den Marſchall zu erwarten, und mit ihm vereint zu dem Kaiſer zu ſtoßen. Da Ney aber niht erſchien, ſo blieb d’Erlon eine Zeit lang unſchlüſſig ſtehen, zog aber endlich auf Quatrebras , wo er zu ſpät ankam. Auf dieſe Art fehlten d’Erlon's 20,000 Mann mit 50 Kanonen dem Kaiſer bei Ligny, und dem Mar-= ſhall Ney bei Quatrebras. Wären Napoleon's Anordnungen von ſeinen Unterfeldherren und vornehmlich von Ney vollſtändig ausgeführt worden, ſo hätte der Feldzug in Belgien am 16, Juni mit der Niederlage der Preußen und dem Rüd>zuge der Engländer endigen müſſen.

Napoleon beklagte ſich gegen ſeine Vertrauten bitter über Ney, der bei Quatrebras nit zu ſiegen verſtanden, und dur die unzeitige Abrufung d'Erlon's die Wirkung des Sieges bei Ligny geſ<wächt hatte. Aber der Kaiſer war niht mehr in der Lage, ſeinen Unmuth bethätigen zu können. Er hätte, da ihm ſo manche ſeiner beſten Generale fehlten, Ney nicht erfegen können, und mußte ihm nah wie vor die Führung eines großen Theiles ſeiner Streitkräfte überlaſſen.