Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

Napoleon's Ankunft in Paris. 323

Nachricht von einer großen Niederlage der Engländer und Preußen in Paris meldet, wird auh den Befehl zur Hinrichtung Fouché's überbringen.“ Fouché ſuchte ſi< in der Kammer der Repräſentanten bedeutend zu madchen, indem er, in einem Bericht über die innere Lage Frankreichs, die Parteien als im höchſten Grade unruhig ſchilderte, und vor dem Aus= bru eines Bürgerkrieges beſorgt zu ſein ſchien. Zugleich wollte er dadur Napoleon, ſelbſt im Falle eines Sieges, einſhüchtern, und von einem Schlage gegen ihn ablenken. Fouché’s Bericht war ſehr übertrie= ben. Die Nation erwartete, ohne Begeiſterung für den Kaiſer und ſeine Sache, aber au< ohne die Neigung zum Widerſtande gegen ihn, in dumpfer Spannung den Ausgang des großen Kampfes an der Gränze, Sie ſah, wenn der Kaiſer ſiegte, die Wiederherſtellung des Despotismus im Innern, wenn er geſchlagen wurde, eine zweite Invaſion voraus. In dieſe traurige Alternative war ſie durc die paſſive Haltung gekommen, welche ſie nah Napoleon's Landung angenommen, dur die Art, wie ſie die Entſcheidung über das Schiſal Frankreichs einzig der Armee überließ, und dur die geringe Empfänglichkeit für die von Ludwig XVTIL. gegründeten parlamentariſchen Inſtitutionen.

Napoleon hatte ſeine Reiſe von Philippeville ſo eingerichtet, daß er erſt des Abends, als es ſchon dunkel geworden, in Paris ankam (20. Juni). Er ſtieg nicht in den Tuileries, ſondern in dem damals ſtill gelegenen Palaſt Elyſée ab. Es waren gerade Tag um Tag drei Monate her, daß er ebenfalls abſihtli< des Abends in der Hauptſtadt eingetroffen war. Aber diesmal glänzten ihm keine hell erleuchteten Fenſter entgegen, es ſtürzte ſih niht, wie am 20, März, eine begeiſterte Menge von Gene= ralen und Officiecen an ſeinen Wagen, um ihn auf ihren Armen die Treppe hinaufzutragen, kein Hofſtaat empfing ihn. Ein einziger ſeiner Anhänger und Diener, Caulincourt, Herzog von Vicenza, dem Namen nah Miniſter des Auswärtigen während der hundert Tage, ein Titel ohne Funktionen, da Niemand mit Napoleon unterhandeln wollte, ex= wartete ihn am Eingange des Elyſée. Alles in und um den Palaſt war dunkel und einſam. Der Kaiſer ſchien dur< den Schmerz über die er= fahrene Niederlage, die Schlafloſigkeit, die Beſhwerlichkeiten der Flucht, in wenigen Tagen um viele Jahre gealtert zu ſein. Er hielt ſich nur mit Mühe aufre<t, athmete langſam, ſprach mit klangloſer Stimme. „Ich erſti>e,““ ſagte er zu Caulincourt, indem er ſi< auf einen Seſſel warf, und die Hand auf das Herz legte. „Die Armee hatte Wunder der Tapferkeit gethan, als ein paniſcher Schre>en über ſie kam, und alle errungenen Vortheile wieder verloren gingen. Ney hat ſi wie ein Thor betragen,

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