Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

Auflöſung der Loirearmee. 851

Davouſt, obwohl ein entſchiedener Gegner der Bourbonen , begriff dieUnmöglichkeit, für ſeine Truppen länger eine ſo ausnahmsweiſe Stellung zu behaupten. Der Umſtand, daß zwei Zöglinge der Revolution und Diener des Kaiſerreiches, Gouvion St. Cyr und Fouché , im Rathe des Königs ſaßen, kam ihm zu Hülfe. (Er überzeugte Officiere und Solz daten , daß die Entſcheidung über ihr Geſchi> in befreundeten Händen liege. Ein großes Opfer für Frankreichs Glü> ſei unerläßlich gewor= den. So wie die Armee früher zum Ruhme des Vaterlandes gefochten, ſo müſſe ſie jest für deſſen Beruhigung ihren Gefühlen Gewalt anthun. Er ließ die weißen Fahnen und Kokarden aufpflanzen , und zeigte dem Könige ſeine und ſeiner Truppen Unterwerfung an. Ludwig XVII. ſhi>dte den Marſchall Macdonald na Davouſt’ Hauptquartier in Tours. ab. Dieſer Marſchall, der ſeinen Eid jeßt dem Könige eben ſo treu wie früher dem Kaiſer hielt , löſte die Loirearmee auf, und chi>te die Maun= ſchaften in ihre Heimath bis zur Bildung einer neuen Kriegsmacht zurüc.

Ganz Frankreich war unterdeſſen von den Heeresmaſſen der Ver= bündeten, denen der Sieg der Preußen und Engländer bei Waterloo den Weg gebahnt hatte, beſeßt worden. Seit den Zeiten der Völkerwande= rung hatte der Boden des älten Galliens niht mehr ſo viele Völker verſchiedener Abkunft und Sprache getragen. Auch hierin war von Napo= leon ein Beiſpiel aufgeſtellt worden, das ſeine Feinde, von den Umſtänden begünſtigt, nur nachzuahmen brauchten. Hatte dieſer niht Deutſche und Polen in die heißen Ebenen Kaſtiliens und Spanier und Italiener in die eiſigen Steppen Rußlands geführt? Auch waren die Drangſale des Krieges von ihm dadur< vermehrt worden, daß er bei der Beſezung fremder Länder alle Bedürfniſſe, ohne Rückſicht auf ihre Hülfsquellen, aus ihnen bezog, und ſeinen Unterfeldherren und ſeiner Militairverwal= tung dabei nur zu freie Hand ließ. Frankreich empfand jeßt dieſelben Leiden, die es ſo lange anderen Völkern auferlegt hatte. Engländer, Belgier, Holländer und Hannoveraner lagerien zwiſchen Paris und der niederländiſchen Gränze, Preußen in Paris und die Loire hinab bis zum Ocean. Die Ruſſen hatten die Champagne und Lothringen beſetzt. Sachſen und Badener ſtanden im Elſaß. Oeſterreicher, Bayern und Würtemberger nahmen Burgund und die Dauphiné ein. Piemonteſiſche und ungariſche Regimenter waren in die Provence und Languedoc bis nah der Auvergne vorgedrungen. Ein ſpaniſches Korps hatte ſi Na= varra’s und Nouſſillons bemächtigt.

Die verbündeten Mächte hatten zwar bei dem Ausbruch des lebten Krieges erklärt, daß ſie nur Napoleon und deſſen Anhänger als Feinde